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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein
Autoren: Sebastian Thiel
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überzogenes Messer an sich nahm und sich auf die Säcke fallen ließ. Sie spürte die Feuchtigkeit an jeder Stelle ihres Körpers und ein Schauer lief ihr über den Rücken, während sie mehrmals tief durchatmete.
Nur noch einen Moment, Schwester. Noch wenige schwache Herzschläge und wir sind wieder vereint. Wenn auch nur kurz.
    Durch fehlende Bretter im Scheunendach konnte sie in den dunklen Nachthimmel blicken. Die Wolken wirkten in diesem Augenblick so nah, als wäre sie imstande, nach ihnen zu greifen. Sie stellte sich das schüchterne Lächeln Antonellas vor, ihre weichen Gesichtszüge, die makellose, fast weiße Haut, das rabenschwarze Haar und die tiefdunklen Augen.
Bis gleich, Schwester. Ich bitte dich, vergib mir.
    Sie erhob eine Hand, als wollte sie nach etwas greifen. Dann stach sie die Klinge in ihren Unterarm und warmes Blut tropfte auf ihre Kleidung. Bald war aus den wenigen roten Perlen ein ganzer Schwall geworden, der ihr entgegenströmte. Ein Lächeln umspielte Elisabeths Lippen. Der Schmerz war erträglich, beinahe erlösend. So fühlte es sich also an, glücklich zu sein. Ein lange nicht mehr gekanntes Gefühl.
    Kraftlos sank ihr Arm nieder. Zu der Feuchtigkeit des Regens gesellte sich die Wärme ihres Blutes. Sie spürte, wie sich die Flüssigkeit auf ihrem Bauch verteile, und schloss langsam die Lider.
    Das war es also. Das gerechte Ende. Leicht öffneten sich ihre Lippen und ihnen entwich ein langer Seufzer.
    Das Gesicht Antonellas verschwamm vor ihren Augen und das Aufschlagen des Regens auf dem Scheunendach wurde leiser, bis Elisabeth das Gefühl hatte, von einer unsichtbaren Hand fortgetragen zu werden. Alles war leicht, ihr Körper war von sämtlicher Last befreit und die Schrecken der irdischen Welt schienen keine Rolle mehr zu spielen.
Gleich werde ich bei dir sein. Ich spüre deine Anwesenheit, höre dich rufen, Schwester. Verzeih mir alles, was ich dir angetan habe, das Feuer der Hölle ist nicht genug Strafe dafür. Noch wenige Sekunden und wir sind vereint …
    »Kann man da am Preis nichts machen?«
    »Nichts da. Der Preis steht!«
    War das ein Traum? Elisabeth war sich nicht sicher. Die Worte schienen aus weiter Ferne zu kommen. Zwei Stimmen – die dunkle eines Mannes und die hohe einer Frau.
    »Ist nicht gerade schön hier«, stellte der Mann gereizt fest.
    »Du wolltest es schnell, also kriegst du es schnell. Wir sind hier ja nicht am Bonner Hof.«
    Die beiden näherten sich. Elisabeth konnte das Geraschel von Kleidung ausmachen. Hastige, von Gier zerfressene Berührungen, wilde Küsse.
    »Lieber Gott, du hast es aber nötig«, sagte die Frau resolut. »Immer langsam mit den jungen Pferden, du wirst schon gut bedient, mein Hübscher.«
    Wieder kamen sie ein Stück näher.
    »Du hast keine Ahnung, wie lange ich nicht mehr …«, dann stockte die Männerstimme. Elisabeth wollte die Augen öffnen, sich vergewissern, dass dies keine Einbildung war, doch der kalte Hauch der Schwäche hatte sie bereits in seiner finsteren Umarmung eingeschlossen. Jeder Ton war gedämpft, als ob sie unter der Wasseroberfläche wäre. Auch die Nässe auf ihrer Haut war nicht mehr so unangenehm.
    »Da liegt wer«, polterte der Mann. »Ich glaube, die verreckt gleich. Ist bestimmt ne Kranke. Lass uns hier verschwinden.«
    Die Frau dachte allerdings gar nicht daran, sondern stürzte auf Elisabeth zu. Diese spürte die warmen, fast heißen Berührungen an ihrem Arm.
    »Jesses Maria im Himmel. Das arme Kind. Lauf los und hol Hilfe!«
    Erst jetzt schaffte es Elisabeth, die Augen zu öffnen.
    Vor ihr kniete eine beleibte Frau, deren Hände fest auf ihre Wunde gedrückt waren. Dabei berührte ihr riesiger Busen beinahe Elisabeths Wangen. Dunkle Strähnen fielen ihr in das puterrote, runde Gesicht, als sie sich erneut zu dem Soldaten umdrehte. »Lauf schnell und hol Hilfe!«
    Der Mann zuckte lediglich mit den Schultern, rieb die Handflächen aneinander und blickte zum Tor. »Lass sie in Ruhe sterben und wir beide suchen uns einen anderen Ort. Ich habe Geld.«
    »Ich spucke auf dein Geld«, entfuhr es der Frau und ihre Stimme wurden einige Nuancen tiefer. »Hier laufen Tausende von Soldaten herum, ich könnte an jedem Tag Dutzende Freier haben, wenn ich will.«
    Die beherzten Worte ließen Elisabeth trotz ihrer Benommenheit hochschrecken. Mit ihrem Organ könnte die Frau ohne Probleme eine ganze Kompanie befehligen.
    »Dann such ich mir ne andere Hure«, schrie der Mann voller Zorn und verschwand.
    »Das sind
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