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Die Dirne vom Niederrhein

Die Dirne vom Niederrhein

Titel: Die Dirne vom Niederrhein
Autoren: Sebastian Thiel
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Gang entlang befinden sich die Kapelle, die Gärten und unser Friedhof.« Schwester Agathe baute sich vor Maximilian auf. Sie war sogar eine Handbreit größer als er. Sie musterte Maximilian, als versuchte sie, in ihn hineinzusehen. »Etwas weiter hinten ist der Speisesaal. Wir beherbergen hier 50 Schwestern und haben einen strengen Plan, wie wir dem Herrn dienen sollen. Wenn du dich weigerst, die Regeln einzuhalten, eine der Mägde auf ungebührliche Weise ansiehst oder deine Arbeit nicht richtig verrichtest, musst du das Kloster verlassen.« Sie machte einen Schritt auf ihn zu. »Hast du das verstanden?«
    Ihm behagte es nicht, sich von einer fremden, älteren Frau strenge Regeln auferlegen zu lassen. Der Herrgott hatte einen grausamen Humor. Jetzt, da klar war, dass es keine Gerechtigkeit gab, wollte er Maximilian auch noch verhöhnen. Erst nahm er ihm seinen Bruder, machte ihn zum Mörder und schließlich demütigte er ihn, indem Maximilian für ihn arbeiten musste. Innerlich kochte er vor Wut. »Ja, Schwester Agathe.«
    »Gut, ich werde dich jetzt in den Speisesaal begleiten. Unsere Mägde werden dir ein Frühstück zubereiten und zusehen, ob wir nicht andere Kleidung für dich finden. Du bekommst ein Zimmer, wo du dich umziehen und ein paar Stunden ruhen kannst. In deiner derzeitigen Verfassung werde ich dich nicht unter die Augen des Vikars schicken. Nach einem Bad wirst du ihm vorgestellt, und wenn er sein Einverständnis gibt, kannst du mit der Arbeit beginnen.«
    Das Sonnenlicht fiel durch die seitlichen Fenster in den Raum. Ein Nicken von Maximilian besiegelte die Vereinbarung. Dabei blickte er jedoch nicht zu Schwester Agathe, sondern zu dem Kreuz, welches über ihr hing. Erneut hatte er das Gefühl, es würde auf ihn stürzen und ihn unter sich begraben wollen. Drohend warf es seinen Schatten genau in sein Gesicht.
    Er war froh, als er endlich in den Speisesaal treten konnte, wo es keine dunklen Begleiter gab, die ihn verfolgten.

Kapitel 5
- Im Bauch der Bestie -

    Nur langsam erwachte Elisabeth. Noch immer schwirrte es in ihrem Kopf und jeder Muskel ihres Körpers schmerzte. Besonders die Wunde am Handgelenk schien zu brennen. Durch den Druck des Stoffes waren ihre Finger weiß angelaufen, doch sie widerstand dem Drang, die Leinenverbände zu lösen. Stattdessen versuchte sie, sich aufzurichten, und zog zugleich die Decke bis zu ihren Schultern.
    Das orangefarbene Sonnenlicht, welches den Abend ankündigte, spiegelte sich in kleinen Fläschchen und Ampullen, die auf einer Theke neben einem Spiegel angeordnet waren. Die unterschiedlichsten bunten Gewänder und Röcke stapelten sich im hinteren Teil des Wagens. Elisabeths Blick blieb auf einem Leibchen mit Hängeärmel, das auf einem grünen Arbeitsrock auf ihrem Bett lag, hängen. Die Frau musste die Kleidung für sie herausgelegt haben, dachte Elisabeth und erinnerte sich im selben Moment an den Namen der Fremden: Rosi, die Hure.
    Ihre Gedanken wurden unterbrochen, als sie das Holzbrett entdeckte, das auf dem Boden neben ihrem Bett stand. Wein, Brot, Käse, sogar ein wenig Fleisch hatte Rosi für sie bereitgestellt. Erst nahm sie einige Schlucke aus dem Krug und schlang das Essen gierig hinunter.
    Nachdem sie das Gefäß vollends geleert hatte, erhob sie sich und lugte vorsichtig aus dem Fenster. Tiefe, flachsende Männerstimmen drangen an ihr Ohr, dazu sah sie mehrere Lagerfeuer weiter entfernt. Pferde wieherten und Hellebarden waren fein säuberlich nebeneinander aufgereiht. Ein ganzes Dorf voller Soldaten breitete sich vor ihren Augen aus. Dahinter lag Neuß. Rosi musste sie hierhin geschleppt haben. Doch wie, das war ihr ein Rätsel.
    Elisabeth erkannte die Kirche und Verteidigungswälle der Stadt. Verschreckt von der Armee ging sie in Deckung und zog das Kleid dicht an ihren Körper.
    Sie musste inmitten des hessischen Lagers sein. In einem Lager voller blutrünstiger Soldaten. Vermutlich dieselben Männer, die Kempen niedergebrannt hatten und der Ursprung für diesen Wahnsinn waren. Wie konnte Rosi inmitten dieser wilden Horde leben? War sie hier nicht ein leichtes Opfer für die widerliche Lust der hessischen Besatzer? Hastig streifte Elisabeth sich die Kleidung über und machte die ersten, unsicheren Schritte in Richtung Tür.
    Plötzlich hielt sie jedoch inne und sah mit offenem Mund in den Spiegel.
    »Herr im Himmel«, entfuhr es ihr, als sie ihr eigenes Antlitz erblickte. Wenn sie früher ihr Gesicht gesehen hatte, hätte sie vor Stolz
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