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Die Dichterin von Aquitanien

Titel: Die Dichterin von Aquitanien
Autoren: Tereza Vanek
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Guillaume ihm immer hatte ersparen wollen. Beharrlich nagte Cleopatra bereits an den Stäben. Marie wollte aufspringen, um sie zu befreien, doch der Klang von Stimmen ließ sie zusammenfahren.
    »Mutter, ich bitte Euch, wir konnten sie doch nicht allein in dieser Ruine am Waldrand lassen. Dort können Wölfe oder andere wilde Tiere eindringen.«
    Marie wusste, wer hier sprach, und es erleichterte sie, Pierre in der Nähe zu wissen, obwohl sie ihn nicht sehen konnte.
    »Nun, meinetwegen, auch wenn ihre letzte teuflische Geschichte klang, als hätte sie eine Schwäche für Wölfe«, entgegnete die Frau des Schmieds. Widerwillig musste Marie grinsen.
    »Das sind doch nur Dinge, die sie sich ausdenkt. Sie hat es von Guillaume gelernt. Mutter, bitte glaubt mir, sie ist ein liebenswürdiges Mädchen mit einem guten Herzen. Gott der Herr kann keinen Groll gegen sie hegen. Es wäre ein Verstoß gegen das Gebot der Barmherzigkeit, Marie nun im Stich zu lassen.«
    Pierres Mutter schnaubte lautstark.
    »Und warum auch noch einen verlausten Köter aufnehmen und diesen geflügelten Dämon aus dem Heidenland, eine Kreatur Satans, die mein ganzes Haus verdreckt?«
    »Mutter, es ist doch nur ein Vogel! Ich habe ihm einen Käfig gebaut, damit er nichts anderes schmutzig macht. Marie liebt diese Tiere. Bei ihnen kann sie Trost in ihrem Unglück finden.«
    Ein warmes Gefühl strömte durch Maries Körper. Wenn Pierre so tief in ihr Inneres zu blicken vermochte, dann war sie nicht ganz allein auf der Welt.

    »Gut, für eine Weile will ich es hinnehmen. Dein Vater wird auf mich hören, wenn ich mit ihm rede«, entgegnete die Frau des Schmieds. »Aber überlege dir, was aus dem Mädchen werden soll. Auf Dauer kann dieses Hurenkind hier nicht bleiben. Sie ist verderbt wie ihre Mutter.«
    Marie rollte sich zusammen und drückte ihr Gesicht gegen Abélards Körper. Es erschreckte sie, wie deutlich sie seine Rippen fühlen konnte. Gab man dem Hund hier nicht genug zu fressen?
    »Marie trägt keine Schuld an den Sünden ihrer Mutter. Der Gottessohn vergab selbst Maria Magdalena. Warum soll ein unschuldiges Mädchen für etwas büßen, das es nicht einmal selbst getan hat?«, wurde sie von Pierre verteidigt. Kurz schöpfte Marie Hoffnung. Wenn sie Guillaumes letzten Wunsch erfüllte und diesen Jungen heiratete, so hätte sie wieder einen Menschen an ihrer Seite, der sie liebte und verstand.
    »Du bist anmaßend, Sohn. Nur der Pfarrer darf über diese Dinge entscheiden. Ich weiß, du hast eine Schwäche für dieses Hurenkind, obwohl es nicht einmal die teuflische Schönheit seiner Mutter geerbt hat. Aber glaube mir, Marie ist nichts für dich. Welches Leben hättest du mit ihr? Sie hat die verrückten Ideen dieses Guillaume im Kopf - doch vermag sie einen Haushalt zu führen?«
    »Sie könnte es lernen«, entgegnete Pierre. »Vergesst nicht, wie jung sie ist. Ich mag Marie. Sie erzählt schöne Geschichten.«
    Nun lachte seine Mutter auf.
    »Schöne Geschichten machen dich nicht satt, mein Sohn. Sie halten dein Haus nicht sauber. Aber ganz gleich, was du ihr zutraust. Dein Vater wird es niemals dulden, und ich werde dich in diesem verrückten Vorhaben auch nicht unterstützen. Solltest du dich für Marie entscheiden, dann
bist du ein Fremder für uns. In Huguet wirst du kein Heim mehr haben.«
    Marie drückte Abélards abgemagerten Körper erneut an sich und warf Cleopatra einen liebevollen Blick zu. Es gab keinen Menschen auf dieser Welt, der noch zu ihr gehörte, denn sie musste auf Pierre verzichten. Sie hatte kein Recht, ihn in jene Einsamkeit zu führen, die nun ihr eigenes Leben ausmachte. Zudem hatte Guillaume einen wichtigen Umstand übersehen, als er ihr riet, Pierres Frau zu werden. Selbst wenn es dem Jungen gelingen sollte, seine Eltern milde zu stimmen, schien die Vorstellung, endlose Jahre in ihrem Heim zu verbringen und sich ihrer Herrschaft beugen zu müssen, Marie wie ein Urteil zu ewiger Kerkerhaft.
    »Wir werden fortgehen müssen«, flüsterte sie in Abélards Ohr. »Du, ich und Cleopatra. Ich werde in anderen Orten auftreten und genug verdienen, um uns alle am Leben zu halten. Das gelingt mir sicher irgendwie. Das Singen muss ich eben üben.«
    Dieser Entschluss schenkte ihr einen Moment des Friedens. Sie schloss erneut die Augen und hoffte, wieder von der schönen Dame zu träumen.
     
    Pierre schwang gleichmäßig eine Schaufel und grub ein immer tieferes Loch, in dem Abélards Körper versinken sollte. Marie starrte
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