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Die Delegation

Die Delegation

Titel: Die Delegation
Autoren: Rainer Erler
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amerikanischen Regierung…?«
    »Ja, stand in allen Zeitungen! – Wir müssen hier leider raus. Die Vorführung ist belegt. Kommen Sie, wir gehen rauf zu mir.«
    Auf dem Flur stand das Busen-Mädchen und überreichte Kufner den Karton mit dem Film. Gleichzeitig lächelte sie mich wieder unverschämt an. Jetzt trug sie die Haare offen. Eine ungeheure Löwenmähne – in neun Minuten und sieben Sekunden meisterlich toupiert. Vermutlich hatte sie erfahren, welches Handwerk ich ausübe. Der Traum, auf dem Flur eines Studios von einem Regisseur als Weltstar entdeckt zu werden, ist offenbar nicht auszurotten. In der Tür zum Filmgeberraum – BETRETEN AUSNAHMSLOS UNTERSAGT – drehte sie sich noch einmal um, zog den Pulli stramm und ließ die Zähne blitzen. Wir wanderten zurück durch das Labyrinth der Administration: Chefredaktion – Hauptabteilung Tagesgeschehen – Hauptabteilung Politik und Zeitgeschehen – Dokumentation…
    »Glauben Sie eigentlich an UFOs?« Ich hatte keine Lust, mich einem Verhör zu stellen. »Ist das eine Glaubensfrage?«
    »Ich fürchte ja. Und sogar ausschließlich! Schlagen Sie nach bei dem Schweizer Psychologen CG. Jung: › Ein moderner Mythus‹. Heilserwartung! Die alten Götter haben versagt, die Menschheit hofft auf neue: Hyperzivilisationen, Wesen, die uns Jahrtausende oder gar Jahrmillionen überlegen sind. Solche Super-Lebewesen – warum sollen sie nicht irgendwo existieren? – müßten dann eine phantastisch hohe Stufe der Intelligenz, der Zivilisation und der wissenschaftlichen Entwicklung erreicht haben.
    Und nun breitet sich die Hoffnung aus, die werden kommen und uns aus dem Dreck ziehen, werden uns den Frieden bringen, das Glück, den Wohlstand ohne Reue, das Paradies auf Erden. Und so weiter. Kein Zweifel: eine neue Religion. Dem Zeitalter der Raumfahrt durchaus angemessen. Hier geht’s rein!«
    Zwei Damen saßen im Vorzimmer mit seiner stereotypen Standardeinrichtung. In einer öffentlich-rechtlichen Anstalt entwickeln sich zwar hierarchische Strukturen, die Entfaltungsmöglichkeit für repräsentativen Luxus jedoch ist gebremst. Zumindest vorläufig. »Kaffee oder Tee?«
    »Tee, bitte. Keine Angst, ich störe nicht mehr lange, ich muß weiter.«
    Kufner war wohltuend frei von Hektik: »Keine Eile, Sie stören nicht. Wir hatten gestern Sendung. Jetzt läuft die Maschine erst langsam wieder an. Das sind die Vorteile eines Sonntagnachmittags-Magazins.
    Um auf Jung zurückzukommen: Nehmen wir den Fall: Tausende sehen gleichzeitig eine fliegende Untertasse über ihrer Stadt. Eine Kollektiv-Vision! Tausende haben ja auch zur gleichen Zeit die heilige Jungfrau von Fatima erblickt. Sofern Sie der Überlieferung glauben wollen. Das sind in meinen Augen analoge Fälle!
    Und die silberglänzenden, diskusförmigen Gebilde: ›Mandalas‹. Ein Begriff aus dem Sanskrit: die absolute Einheit eines Körpers, Geschlossenheit einer göttlichen Form. Mythologie – und sonst nichts.«
    »Und eine sinnvolle Konstruktion unter dem Gesichtspunkt der Aerodynamik«, fügte ich nüchtern hinzu. »Luftwiderstand gibt es nur in der Gashülle von Planeten. Im freien Raum des Universums ist Aerodynamik gegenstandslos.«
    Aber ich gab nicht auf: »Dort gibt es Widerstände anderer Art, die bei extrem hohen Geschwindigkeiten problematisch werden. Kleinste Materie-Partikel. Interstellare Wolken ionisierten Gases. Wasserstoffatome. Ich bin kein Physiker, aber es heißt, auch der sogenannte ›leere Raum‹ sei voller Materie. Und das andere Problem: Halten sich Radargeräte auch an die These von C. G. Jung über die Kollektiv-Visionen? Sind sie psychologisch beeinflußbar?«
    »Ganz bestimmt nicht«, räumte Kufner ein. »Das ist der springende Punkt, nicht nur bei Jung, der in diesem Fall jede weitere Aussage verweigert. Das war auch der springende Punkt bei Roczinski. Er war immer Skeptiker, zumindest Realist. UFOs, also das war kein ernsthaftes Thema für ihn. Er fand diese Veranstaltung hier in der ›Liedertafel‹ einfach lächerlich. Aber dann erwachte der Instinkt des Reporters. Dieser Zeitungsbericht aus Kanada mit den Amateurfotos eines Landwirts, die Radar-Plots, echte Aufnahmen, die ihm ein Kollege aus den USA direkt von der SAC besorgte – und zwar Fotos vom gleichen Tag, fast von der gleichen Stunde, das war für ihn nicht nur Zufall, das war ihm einfach ein Zahn zuviel. Er holte sich den Segen von oben – ich selbst hab’ mich natürlich auch bei der Chefredaktion abgesichert –,
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