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Die Dämonen ruhen nicht

Die Dämonen ruhen nicht

Titel: Die Dämonen ruhen nicht
Autoren: Patricia Cornwell
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ertränken oder durch einen Stromstoß niederzustrecken. Immer wenn Donnerwolken hässlich und gefährlich grollend am Himmel drohten, hielt ihr Vater ihr Vorträge über Schutzmaßnahmen, wäh r end ihre hübsche blonde Mutter an der Fliegentür stand und Nick bedeutete, sie solle einfach ins Haus laufen, sich an einen warmen, trockenen Ort flüchten und in ihren Armen verstecken.
    Papa knipste dann immer die Lichter aus, und so saßen sie zu dritt in der Dunkelheit, erzählten sich Geschichten aus der Bibel und wetteiferten, wie viele Verse und Psalmen jeder auswendig aufsagen konnte. Eine wortwörtliche Wiedergabe war fünfundzwanzig Cent wert, aber ihr Vater rückte das Geld erst heraus, wenn das Gewitter vorbei war, denn Vierteldollars bestehen aus Metall, und Metall zieht den Blitz an.
    Du sollst nicht begehren.
    Nics Aufregung kannte keine Grenzen, als sie erfuhr, dass Dr. Kay Scarpetta zu den Gastdozenten der Academy gehören würde. Sie sollte in der zehnten und letzten Woche des Lehrgangs ein Seminar zum Thema »Feststellung von Todesursachen« abhalten. Nic hatte das Gefühl, dass die ersten neun Wochen überhaupt nicht vergehen wollten. Dann traf Scarpet-ta in Knoxville ein, und Nics erste Begegnung mit ihr fand zu ihrer großen Verlegenheit ausgerechnet in der Damentoilette statt, wo Nic soeben die Spülung betätigt hatte und, den Reiß-verschluss der Hose ihrer marineblauen Ausgehuniform zuziehend, aus einer Kabine kam.
    Scarpetta wusch sich gerade die Hände, und Nic erinnerte sich an ihre Überraschung, als sie zum ersten Mal ein Foto von ihr gesehen und festgestellt hatte, dass sie gar kein dunkler, spanischer Typ war. Das war vor etwa acht Jahren gewesen, als Nic Scarpetta nur dem Namen nach gekannt und deshalb keinen Grund zu der Annahme gehabt hatte, diese könnte eine blauäugige Blondine sein, deren Vorfahren aus Norditalien stammen. Einige von ihnen waren Bauern an der österreichischen Grenze und dem Aussehen nach nicht von Deutschen zu unterscheiden.
    »Hallo, ich bin Dr. Scarpetta«, sagte ihr Idol, als wäre zwi s chen der spülenden Toilette und Nic nicht der geringste Zusammenhang erkennbar. »Lassen Sie mich raten: Sie sind bestimmt Nicole Robillard.«
    Nic verschlug es die Sprache, und sie wurde feuerrot im Gesicht. »Woher ...«
    Noch ehe sie den Rest ihrer Frage hervorstammeln konnte, erklärte Scarpetta: »Ich habe mir Kopien von allen Anmeldungen einschließlich der Fotos kommen lassen.«
    »Wirklich?« Nic war nicht nur überrascht, dass Scarpetta ihre Anmeldungen hatte sehen wollen, sondern konnte sich auch nicht vorstellen, dass sie Zeit und Interesse dafür aufbrachte. »Dann kennen Sie wahrscheinlich auch meine Sozialversicherungsnummer«, versuchte sie es mit einem Witz.
    »Nein, an die erinnere ich mich nicht«, erwiderte Scarpetta und trocknete ihre Hände mit einem Papierhandtuch ab. »Aber sonst weiß ich genug.«

5
    »Zweites Häutungsstadium.« Nic demonstriert ihr Wissen, indem sie die längst vergessene Frage zu Maddie, der Made, beantwortet.
    Die Polizisten am Tisch wechseln entnervte Blicke. Nic hat das Talent, ihre Kollegen gegen sich aufzubringen, und hat diese Gabe in den vergangenen zweieinhalb Monaten immer wieder bewiesen. In mancherlei Hinsicht erinnert sie Scarpetta an Lucy, die die ersten einundzwanzig Jahre ihres jungen Lebens damit verbracht hat, die Mitmenschen nie begangener Fehler zu beschuldigen und sich bis zum Exhibitionismus mit ihren eigenen Fähigkeiten zu brüsten.
    »Sehr gut, Nic«, lobt Scarpetta.
    »Wer hat denn diese Klugscheißerin eingeladen?« Reba, die sich standhaft weigert, ins Holiday Inn zurückzukehren, hat
    Spaß am Stänkern, wenn sie sich nicht gerade ihrem Essen widmet.
    »Wahrscheinlich hat Nic zu wenig getrunken, leidet jetzt an Delirium tremens und sieht überall Maden herumkriechen«, meint der Detective mit dem wie poliert glänzenden Schädel.
    Die Blicke, die er Nic zuwirft, sind ziemlich eindeutig. Obwohl sie die Lehrgangsstreberin ist, steht er auf sie.
    »Und du hältst ein Stadium vermutlich für eine Sportstätte.« Eigentlich möchte Nic witzig sein, aber sie kann ihre ernste Stimmung nicht abschütteln. »Siehst du die kleine Made, die ich Dr. Scarpetta geschenkt habe .?«
    »Aha! Endlich ein Geständnis!«
    »Sie befindet sich im zweiten Entwicklungsstadium.« Nic weiß, dass sie jetzt besser aufhören sollte. »Hat sich nach dem Schlüpfen schon einmal gehäutet.«
    »Ach ja? Woher weißt du das? Warst du
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