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Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Die Daemonen 01 - Die Daemonen

Titel: Die Daemonen 01 - Die Daemonen
Autoren: Tobias O. Meißner
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kleine Kapelle, in der man beten konnte, Mut finden, Furcht verarbeiten und Opfergaben hinterlegen, wirkte wie ein letzter Stützpunkt der Festigkeit angesichts des ewig unsteten Waberns.
    »Stimmt es«, fragte der König zaghaft und hielt sich mit einer Hand am durchbrochenen Seil fest, weil er nicht ganz schwindelfrei war, »dass jeder, der in Orison stirbt, in diesen Mahlstrom Eingang findet?«
    »Das ist eine der drei vorherrschenden Theorien, mein König«, erläuterte Tanot Ninrogin geduldig. »Dass dieser Schlund alles enthält, was von unseren Toten unsterblich ist, und dadurch von Jahrhundert zu Jahrhundert immer voller wird, bis er eines Tages über den Rand treten und Orison überfluten wird. Die älteste Theorie, die auf Legenden aus grauer Vorzeit beruht und dem Schlund auch seinen Namen gab, besagt dagegen, dass dieses ewige Kreisen die Heimstatt fremder Lebensformen ist – Dämonen, die durch einen mächtigen Bannspruch aus der Zeit, als den Menschen noch Magie gegeben war, dort festgehalten und zu unendlicher Umdrehung gezwungen werden. Diesen Bannspruch wirkte kein Geringerer als der große Magier Orison, der auch dem Land dann seinen Namen und seine Grenzen verlieh.«
    Er verstummte, bis Tenmac III. fragte: »Und die dritte?«
    »Die dritte Theorie, mein König, besagt, dass dieserSchlund eigentlich leer ist und nur das Böse, das fortwährend in den Herzen und Seelen der Menschen nagt und wütet, dieses Spiegelbild unseres eigenen Daseins entwirft.«
    »Und welche der drei Theorien stimmt?«
    »Ich ganz persönlich vermute, dass die Wahrheit irgendwo zwischen diesen drei Erklärungen zu finden ist. Sicherlich gibt es etwas im Menschen, das beim Tode nicht stirbt. Beim Konflikt, den Euer Vater mit dem Zweiten Baronat austrug, bin ich mehr als einmal Zeuge eines Sterbens geworden, und ich könnte beschwören, dass dort etwas vorging, das mit herkömmlichen Sinnen nicht erklärbar ist. Auch will ich nicht bestreiten, dass es manchmal in einem Menschen so aussehen kann wie dort unten. Aber ich halte es auch für fahrlässig, die Existenz von Dämonen zu bestreiten. Vor Jahrhunderten noch muss es sie gegeben haben. Unzählige Quellen berichten davon. Sie wurden beschworen und als Waffe eingesetzt. Manche von ihnen machten sich auch selbstständig und brachten Tod und Verheerung über die damals noch ungezähmten Länder. Aber dann erlosch die Magie in den Menschen wie eine Kerze durch einen winterlichen Windhauch. Auch die Dämonen verschwanden. Aber wohin? Hatten sie nur in den Menschen existiert und vergingen, als auch die Magie verging? Oder wurden sie niedergeworfen und alle in diesen Schlund gebannt, als den Menschen klar wurde, dass sie im Begriff waren, die Macht über die Dämonen zu verlieren? Ursache und Wirkung sind manchmal schwer zu bestimmen, wenn beides Jahrhunderte zurückliegt.«
    Die drei schwiegen. Benesand war unbeschreiblichfasziniert von dem mahlend rauschenden Tosen in der Tiefe. Eine Gewalt zeigte sich dort unten, so groß und stetig, dass man annehmen musste, sie könnte sich selbst durch Felsen Bahn brechen, noch dazu durch so brüchige, roststaubige wie diese hier. Und dennoch konnte der Strudel diesen Krater nicht verlassen. Benesand sah tatsächlich ein Spiegelbild vor sich. Ein Spiegelbild seiner quälenden, weil unerfüllten Leidenschaft zur Baroness.
    Der junge König hielt sich einen Zipfel seines Umhangs vor die Nase. Seine blassblauen Augen tränten. Der Eiklargeruch, der hier am Rand wärmer und wärmer wurde und auch einen leicht brandig-salzigen Geschmack auf die Zunge legte, setzte ihm zu. »Es gibt nicht viele Orte in Orison, wo der Mensch so deutlich etwas sehen kann, das sein Vorstellungsvermögen übersteigt «,flüsterte er.
    Tanot Ninrogin, der die leise Aussprache des Königs gewöhnt war, nickte. »Es gibt das Meer, das Orison in drei Himmelsrichtungen umgibt und dessen Unermesslichkeit wohl niemals wird erkundet werden können. Es gibt den Gramwald im Achten Baronat, in dem die Bäume ein rätselhaftes Eigenleben zu besitzen scheinen, das alle Unvorsichtigen in Furcht und Trauer stürzt, und es gibt die Wolkenpeinigerberge, die uns nach Norden hin vom nebligen Coldrin abgrenzen. Und dann gibt es natürlich noch den Himmel und die Sterne, von denen einige Weise sagen, dass sie ferne, bei Nacht beleuchtete Städte sind. Aber davon abgesehen gibt es tatsächlich keine Orte mehr, die noch Magie besitzen.«
    »Früher war das anders?«, fragte
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