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Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt

Titel: Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
Autoren: Linda Lael Miller
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nächste gezogen war und ihre Adresse schlicht „Postlagernd, Lonesome Bend, Colorado“ gelautet hatte.
    Das Paradoxe am Namen der Stadt entging Carolyn keineswegs.
    Sie war vor gut acht Jahren im Grunde rein zufällig hier gelandet, als ihr Auto auf einer dunklen Landstraße eine Panne hatte.
    Ihre unerwarteten Retter Gifford Welsh und Ardith Sperry, beide Filmstars der A-Klasse, kamen vorbei, hielten an und boten ihr Hilfe an. Am Ende überließen sie ihr das Gästehaus hinter ihrem Landsitz-Refugium drei Meilen außerhalb der Stadt. Nach einer Reihe sehr sorgfältiger Leumundsprüfungen hatte das Paar Carolyn als Kindermädchen für seine lebhafte dreijährige Tochter Storm engagiert.
    Carolyn hatte den Job und das Kind geliebt. Meistens waren sie und Storm in dem Haus in Lonesome Bend geblieben, wenn Gifford und Ardith kreuz und quer die Welt bereist hatten, manchmal gemeinsam, manchmal getrennt, und in Filmen auftraten, die ausnahmslos Oscar-Nominierungen und Golden Globes einheimsten.
    Zwar hatte Carolyn nie der mitunter äußerst verlockenden Versuchung nachgegeben, Storm als ihr eigenes Kind zu betrachten, doch sie und das kleine Mädchen fühlten sich einander tief verbunden.
    Für Carolyn lief das Leben besser als je zuvor, zumindest in diesem einzigen goldenen Jahr – bis zu dem Abend, als Gifford Welsh zu viel trank und beschloss, dass er und das Kindermädchen sich ein kleines Techtelmechtel gönnen sollten.
    Carolyn hatte entschieden abgelehnt. Dass Welsh attraktiv war, ließ sich nicht leugnen. Er zierte als Sexiest Man Alive die Titelseite von People , nicht nur ein-, sondern gleich zweimal. Er war intelligent, charmant und geistreich, dazu reich und berühmt. Sie hatte alle seine Filme gesehen und jeden einzelnen geliebt.
    Aber er war verheiratet.
    Und er war Vater.
    Diese Dinge zählten für Carolyn, auch wenn Welsh sie zeitweise aus den Augen verlor.
    Nachdem sie seine Avancen abgewehrt hatte – Ardith hielt sich zu jener Zeit an einem Drehort irgendwo in Kanada auf –, hatte Carolyn gekündigt, ihre Sachen gepackt und das Haus für immer verlassen, nachdem eine Freundin, die als Storms Kindermädchen einsprang, eingetroffen war.
    Innerhalb weniger Monate wurde das Haus in aller Stille an den Gründer einer Softwarefirma verkauft. Gifford, Ardith und Storm, die Berichten zufolge eine ausgedehnte Ranch in Montana gekauft hatten, setzten nie wieder einen Fuß auf den Boden von Lonesome Bend.
    Selbst jetzt noch, Jahre später, hier in der Küche ihrer Wohnung, erinnerte Carolyn sich daran, wie schwer und schmerzlich es gewesen war, Storm zu verlassen. Der Schmerz meldete sich wie ein Schlag in die Magengrube zurück, wenn sie daran dachte, wie das kleine Mädchen hinter ihrem Auto hergelaufen war und unter Schluchzen gerufen hatte: „Komm zurück, Carolyn! Carolyn, komm zurück!“
    Davor – lange, lange Zeit davor – war ein anderes kleines Mädchen verzweifelt einem anderen Auto hinterhergerannt, war gestolpert, gestürzt, hatte sich die Knie aufgeschrammt und war wieder aufgestanden und weitergelaufen.
    Und die Schreie dieses Mädchen hatten sich nicht sehr von Storms Schreien unterschieden.
    Mommy, komm zurück! Bitte komm zurück!
    „Vergiss nicht zu atmen“, wies Carolyn sich streng zurecht. „Du bist jetzt eine erwachsene Frau, also benimm dich auch wie eine.“
    Natürlich war sie eine erwachsene Frau. Doch das Kind, das sie gewesen war, lebte noch in ihr und fragte sich nach fünfundzwanzig Jahren immer noch, wohin ihre Mutter gegangen war, nachdem sie ihre Tochter im erstbesten Heim abgesetzt hatte.
    „Riau“, bemerkte Winston, der jetzt auf dem Küchentisch hockte, wo er zweifellos überhaupt nichts zu suchen hatte. „Riau?“
    Carolyn lachte leise unter Tränen, schniefte und tätschelte dem Tier den Kopf, bevor sie es sanft vom Tisch scheuchte. Winston ließ sich unverzüglich auf der breiten Fensterbank nieder, seinem liebsten Ausguck.
    Der Zigeunerrock, ihr derzeitiges kreatives Projekt, hing säuberlich in einer Plastikhülle aus der chemischen Reinigung an einem Haken innen an der Schlafzimmertür.
    Carolyn nahm das Kleidungsstück, drapierte es sorgfältig über der Tischkante gegenüber ihrer Nähmaschine und freute sich stumm an seiner Schönheit.
    Der bodenlange Rock war aus schwarzem Crepe, der jedoch dank der vielfarbigen mit Perlen versehenen Bänder, die sie in weichen Lagen auf den Stoff genäht hatte, beinahe gänzlich verschwand. Sie hatte tagelang an dem
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