Die Creeds: Wo die Hoffnung lebt
hatte Brody das Erschrecken in Carolyns Blick bemerkt, denn er schüttelte den Kopf. In einer Hand hielt er seinen wettergegerbten Hut, mit der anderen fuhr er sich durch das zerzauste mattgoldene Haar.
Blitzartig heiß überkam es Carolyn wieder – das Gefühl von seinem Mund auf ihrer Haut.
„Soviel ich weiß, macht sie ein Nickerchen.“ Ein Grinsen blitzte in Brodys Augen auf und ließ einen Mundwinkel zucken. „Kaum hatte Tricia sich hingelegt, da fiel Conner auf, dass er auch müde war. Das hieß für mich, dass ich mich verziehen sollte.“
Carolyns Wangen glühten ein bisschen, aber sie musste lächeln. „Wahrscheinlich eine gute Entscheidung“, pflichtete sie ihm bei. Und wartete. Es war an Brody, zu erklären, warum er zurückgekommen war.
Seine bemerkenswert blauen Augen schienen sich um einige Nuancen zu verdunkeln, als er sie ansah, und der graue Ring um die Iris wurde breiter. „Ich weiß, dass es nicht viel ändert“, begann er schließlich, „doch es war mein Ernst, als ich dir gesagt habe, dass es mir leidtut, wie es zwischen uns zu Ende gegangen ist.“
Plötzlich hätte Carolyn am liebsten geweint. Und das war ein Zeichen von Schwäche, ein Luxus, den sie sich selten gestattete. Ihr Leben lang hatte sie stark sein müssen – um zu überleben.
Sie schluckte verkrampft und reckte das Kinn ein wenig vor. „Okay“, krächzte sie. „Du hast recht. Wir lassen es einfach … auf sich beruhen und tun so, als wäre es nie geschehen.“ Sie streckte die Hand aus, wie um einen Handel zu besiegeln. „Abgemacht?“
Für einen Moment senkte Brody den Blick auf ihre Hand, dann schaute er Carolyn wieder ins Gesicht. „Abgemacht“, stimmte er mit rauer Stimme zu. Und im nächsten Moment küsste er sie.
Carolyn spürte, wie etwas in ihr nachgab. Allerdings – so schön dieser Kuss auch war, sie wollte nicht wieder den Boden unter den Füßen verlieren, sie hatte lange gebraucht, um nach der Katastrophe – die Brody Creed hieß – wieder auf die Beine zu kommen.
Darum befreite sie sich aus seinen Armen und schuf ein paar Schritte Abstand zwischen sich und ihm – und dann noch ein paar.
Brody verzog den Mund zu einem schiefen Lächeln. In seinen Augen glomm ein verträumtes „Hab ich’s mir doch gedacht“.
Sprachlos, nicht nur über seine Dreistigkeit, sondern auch über die Gefühle, die er in ihr weckte, hob Carolyn zitternd eine Hand an den Mund.
„Wag nicht zu sagen, es täte dir leid“, flüsterte sie.
Leise lachend öffnete Brody die Tür, um zu gehen. „Glaub mir, es tut mir nicht im Geringsten leid – zumindest dieser Kuss nicht.“ Sein Blick wanderte zu Winston, der ihn mit angelegten Ohren und gesträubtem Fell von der Fensterbank aus anstarrte. „Bis dann, Katze“, fügte er hinzu. „Erst mal.“
Im nächsten Moment war er verschwunden – so schnell verschwunden, dass Carolyn fast glaubte, sie hätte sich den Besuch nur eingebildet.
Sie wartete, bis Brody Zeit gehabt hatte, damit er wegfahren konnte. Dann schaltete sie den Computer aus, zog eineleichte Cordjacke an und griff nach Handtasche und Autoschlüssel.
Nähen war jetzt ausgeschlossen, Buchführung ebenfalls. Sie war viel zu kribbelig, um stillsitzen oder auch nur in der Wohnung bleiben zu können.
Also fuhr sie zur Creed Ranch und nahm den Umweg über Nebenstraßen und holperige Holzfällerwege, um Brody nicht zu begegnen.
Nach etwa vierzig Minuten erreichte sie Kims und Davis’ Haus, parkte neben der Scheune und blieb kurz bei ihrem Wagen stehen, im Widerstreit mit sich selbst. Sie und Kim waren enge Freundinnen, sie sollte anklopfen und wenigstens Hallo sagen.
Das große, rustikale Haus wirkte allerdings verlassen. Außerdem war Carolyn nicht nach einem Plauderstündchen. Kim war hellsichtig und würde auf den ersten Blick erkennen, dass ihre Freundin etwas belastete.
Da sie die Erlaubnis hatte, jederzeit jedes beliebige Pferd der Creeds zu reiten – abgesehen von dem Vollblutwallach Firefly –, konnte sie sich ohne zu fragen einfach eines der Cowboypferde satteln.
Firefly, ein prachtvoller Fuchs, war laut Davis „zu viel Pferd“ für jeden außer einem erfahrenen Jockey. Als er und Kim erfahren hatten, dass das Tier eingeschläfert werden sollte, weil seine Zeit als Rennpferd vorbei war und es als Wallach nicht zur Zucht eingesetzt werden konnte, hatten sie einen Anhänger an ihren Pick-up angehängt und waren bis nach Kentucky gefahren, um Firefly zu sich zu holen.
Carolyn ging an der
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