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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Autoren: Gesa Schwartz
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begriff, dass sie den Letzten Reiter bezwungen hatte und dass sie dafür gefallen war, tief, viel tiefer noch, als er jemals ermessen würde. Für Augenblicke sah er sie in einem See aus Schlangen, ihre Füße durchwanderten Wüsten und Meere, und sie flog mit den Schwarzen Schwänen durch das Gebirge des Frosts. Sie war hinabgestiegen zu den Scherben der Welt, sie hatte die Glut des Himmels in ihren Händen gehalten und war nicht zugrunde gegangen an der Schönheit und dem Schrecken. Ein Abgrund war sie, das wusste Pherodos nun, eine Finsternis, die ihn verschlingen konnte mit nicht mehr als einem Wimpernschlag, und er, der König der Nacht, der Herr über die Wüste der Flammen und das stärkste Feuer, hielt den Atem an, als er ihren Namen auf seiner Zunge fühlte. Es war ein Name wie ein Flügelschlag. Kymbra, raunte es in seinen Gedanken. Schwinge der Ewigkeit.
    Das Lächeln ihrer Lippen verstärkte sich, als sie das Eis von ihren Körpern sprengte. Sie wandte den Blick nicht von Pherodos ab, doch es schien ihm, als würde sie in diesem Augenblick auch Raar und Ligur ansehen und ihnen dieselbe Frage stellen, die er nun in seinen Gedanken hörte. Als der König, der einst über die Wüste des Feuers geherrscht hatte, zögerte er. Doch der Krieger, der er noch immer war, nickte kaum merklich. Seit jeher hatte er die Macht des Vierten respektiert, und hätte jener die Herrschaft über die Gemeinschaft gefordert, wie Kymbra es nun tat, hätte er unwillig, aber demütig vor ihm das Knie gebeugt. Diese Frau hatte gezeigt, dass sie jeden von ihnen bezwingen konnte – und sie hatte nicht einmal eine Waffe gegen sie geführt. Pherodos ergriff sein Schwert, im selben Moment hob Raar seinen Bogen, und Ligur legte die Hand auf sein Brandzeichen. Gleichzeitig neigten sie den Kopf, und damit war es entschieden. Kymbra würde sie führen.
    »Gut«, sagte Ligur ein wenig heiser. Noch immer glomm ein Glanz in seinen Augen, der die Verschlagenheit darin überdeckte. »Doch wir sollten beratschlagen, wie wir vorgehen wollen. Denn unser Auftrag ist nicht leicht zu erfüllen. Andere vor uns sind an ihm gescheitert.«
    Raar umfasste seinen Stab stärker, und ein Name glitt durch die Luft wie ein aufkommender Sturm.
    Bhrorok.
    »Der Oberste Scherge des Fürsten hat getan, was in seiner Macht stand«, sagte Pherodos dunkel. »Und obgleich es wenige gab, die seiner Kraft gewachsen waren, ist er gescheitert. Dennoch – an uns reichte er nicht heran.«
    Ligur stieß ein verächtliches Schnauben aus. »Und was hast du vor mit all deiner Macht? Wir suchen nach der Nadel im Heuhaufen. Und noch hast du nicht einmal einen Fetzen gefunden, um deinen nackten Hintern zu bedecken. Hast du stattdessen einen Plan, wie du den Jungen aufspüren willst?«
    Pherodos hatte schon zu einer Entgegnung angesetzt, als Kymbra sich zusammenkrümmte. Ein Keuchen entwich ihrer Kehle, ihr Gesicht war schmerzerfüllt, und als sie auf die Knie fiel, eilte Pherodos zu ihr. Er wollte nach ihrem Arm greifen, aber bevor er sie berühren konnte, schnellte ihre Hand vor und hinderte ihn daran. Er zog die Brauen zusammen. Die Finger, die seine Klaue mit eisernem Griff umfassten, steckten in einem ledernen Handschuh – waren sie nicht gerade eben noch nackt gewesen? Da riss Kymbra den Kopf in den Nacken. Ihre Adern verfärbten sich schwarz und traten hervor, ihre Wangen fielen ein, und etwas schob sich unter ihrer Haut entlang, das aussah wie Krallen und Federn. Ihr Körper verkrampfte sich, und als sie ruhig liegen blieb und die Augen öffnete, schaute Pherodos in zwei Höhlen aus weißem Nebel. Etwas in diesen Schleiern starrte ihn an, etwas Lauerndes, und er wäre vor Kymbra zurückgewichen, wenn sie ihn nicht festgehalten hätte. Nichts als Grausamkeit lag mehr in ihrem Lächeln, während sich dunkle Schlieren in das Weiß mischten, und als ihre Augen vollkommen schwarz geworden waren, ging ein seltsamer Schimmer darüber hin, der sie in zwei Perlen aus Eis verwandelte. Pherodos erkannte sich selbst darin, und etwas in seinem Blick ließ ihn schaudern, er wusste selbst nicht, was es war. Dann stieß Kymbra ihm die Faust vor die Brust, dass er zurücktaumelte, und ihre Augen zersprangen zu tausend Scherben.
    Hell und klar drang der Schrei über ihre Lippen, der einen Namen über die Ebene trug. Und die Scherben ihrer Augen formten sich zu einer Krähe, die, kaum dass sie ihre Flügel ausbreitete, weiß wie Schnee wurde. Sie war blind, das konnte Pherodos sehen, und
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