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Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)

Titel: Die Chroniken der Schattenwelt: Angelos (German Edition)
Autoren: Gesa Schwartz
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Körper glänzen, in feinen Rinnsalen lief das Blut der Toten über ihre Brüste und in ihren Schoß. Pherodos kannte die Lust, die sich angesichts dieses Anblicks in ihm entfachte, und für einen Moment wollte er sie packen und niederzwingen, um sie in den Grund dieser Wüste zu stoßen, wie er es unzählige Male zuvor mit seinen Sklavinnen getan hatte. Doch aus irgendeinem Grund zögerte er, und als sie die Augen öffnete und ihn spöttisch und zugleich sanft ansah, ahnte er, warum. Etwas seltsam Lockendes lag in ihrem Blick, das mehr sein konnte als alles, was er kannte. Ein Versprechen vielleicht.
    Langsam hob sie die Arme zu beiden Seiten ihres Körpers. Ihre Lippen bewegten sich nicht, aber Pherodos wusste, dass sie es war, die den Donner Ligurs zu sich befahl, und als der Regen auf sie niederbrach und den Schmutz von ihrem makellosen Körper wusch, verwundete das Gift sie nicht. Ihre Haut war weiß wie die Erinnerung an Schnee, die seit den Tagen des Ersten Frosts schmerzhaft in Pherodos’ Brust schlug, ebenso wie ihr Haar, das sich glänzend wie Seide um ihre Schultern legte. Raunend glitt der Regen über ihren Leib, und als sie den Kopf zurücklegte, schien es Pherodos, als würde er sich tiefer in ihr Fleisch senken, dort, wo ihre Haut im Nacken am zartesten war – so als hätte er einen Mund und eine Zunge. Er sah aus dem Augenwinkel, wie Ligur die Frau hingegeben betrachtete, und als sie ihr Haar zurückwarf, trafen drei Tropfen dessen Wange. Zischend gruben sie sich in sein Fleisch, aber nichts als ein Lächeln lag auf seinen Lippen, ein Lächeln ohne Zorn und ohne jede Gier.
    Die Fremde ließ die Arme sinken, der Regen verklang, und stattdessen erhob sich der Sturm. Rau umfasste er ihren Leib, doch auch er verwundete sie nicht, und als ihre Füße sich vom Boden lösten, umschlang sie die Böen mit ihren Beinen, als wollte sie auf ihnen durch die Lüfte reiten. Nichts als Finsternis lag in den Augenhöhlen der Maske, die Raars Gesicht verdeckte, und doch konnte Pherodos die Erregung fühlen, die den Schatten des Verfalls bei diesem Bild ergriff. Immer schneller bewegte die Fremde sich in seinen unsichtbaren Klauen. Ihr Haar umwirbelte ihren Körper, es war ein seltsamer Tanz, in dem sie den gewaltsamen Sturm bezwang, und als ihr Haar getrocknet war und sich um ihren Körper legte, landete sie lautlos auf dem gefrorenen Grund.
    Ohne ein Wort hob sie den Blick, und als hätte diese Geste den Befehl dazu gegeben, entfachten sich Pherodos’ Flammen auf ihrer Haut. In glänzenden Schnüren rannen sie über ihre Schultern, und als sie den Mund öffnete und loderndes Feuer über ihre Lippen drang, schien es Pherodos, als wäre es seine Klaue, die ihre Zunge berührte. Es war, als stünde er in diesem Augenblick direkt hinter ihr, und als sie die Hände ausstreckte und die Flammen ihre Knöchel umspielten, umfasste er ihre Hüfte und zog sie an sich. Doch es war nicht ihr Körper, der ihn nach ihrem Haar greifen und ihren Kopf nach hinten reißen ließ. Es war ihr Blick, der ihn in sie hineinzog, diese Glut in ihren Augen, die gleichzeitig Spott und Sehnsucht war, und als er die Kälte aus ihrem Leib trieb, die sie im Unrat dieser Wüste ergriffen hatte, drang etwas von ihr auch in ihn ein. Ein Schimmer war es, schwarz wie der Glanz in ihrem Blick. Plötzlich meinte er, ihre Haut auf der seinen zu spüren, zart und kühl, und da kam ihm ein Gedanke, der ebenso absurd wie erschütternd war: wie zwei Menschen. Im nächsten Moment umfingen ihre Schatten ihn ganz, und er ließ sich von ihnen tiefer in die Dunkelheit ziehen, bis seine Hitze erlosch. Er war außer Atem, als sie sich von ihm löste. Noch nie zuvor hatte er bei dieser Geste Bedauern gefühlt bis zu diesem Moment. Er öffnete die Augen. Er hatte nicht gemerkt, dass er sie geschlossen hatte.
    Die Fremde stand da wie zuvor, wenige Schritte von ihm entfernt. Die Flammen auf ihrer Haut waren verglüht, ein dunkles Kleid umspielte ihren Leib – eine Robe aus Schatten. Und erst als sein Atem in der Luft gefror, bemerkte Pherodos die Eisschicht, die über seinem Körper lag und jede Bewegung unterband. Ligur und Raar hatte dasselbe Schicksal ereilt, und Pherodos erkannte die Macht wieder, die in diesem Zauber steckte. Oft genug war er mit ihr in Berührung gekommen. Er erinnerte sich an den Krieger der Ewigkeit, den Letzten in ihrem Bund – ihn, einst der Mächtigste der Vier. Die Fremde betrachtete ihn schweigend mit ihren tiefschwarzen Augen, und er
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