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Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht

Titel: Die Chroniken der Nebelkriege 1: Das Unendliche Licht
Autoren: Thomas Finn
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sein Flötenspiel versunken war, als er einen Anflug von Wärme spürte. Ihm war, als würde sich eine Kerzenflamme seinem Gesicht nähern. Überrascht blinzelte er, doch das seltsame Prickeln auf seiner Haut verging. Ein Irrlicht war nirgendwo auszumachen. Er war sich sicher, dass ihn sein Gefühl nicht getrogen hatte, und konzentrierte sich ein weiteres Mal auf sein Flötenspiel. Es dauerte eine Weile und das eigentümliche Gefühl stellte sich erneut ein. Zu seiner Überraschung spürte er die Wärme diesmal gleich an mehreren Stellen seines Gesichts.
    Abermals blinzelte er, doch obwohl die weitläufige Fläche im Mondlicht gut zu überblicken war, konnte er nirgendwo ein verräterisches Flackern erkennen. Weiter. Er durfte nicht aufgeben.
    Wärme. Kälte. Wärme. Kälte.
    Kai verstand nicht, was mit ihm geschah. Wieso zeigte sich da draußen keines der Irrlichter? Er durfte nicht versagen. Nicht heute.
    Panik stieg in ihm auf. Vielleicht musste er die Tonlage der Melodie ändern? Er wollte seinen Plan soeben in die Tat umsetzen, als sich eine Hand auf seine Schulter legte. Kai brach das Flötenspiel abrupt ab und blickte auf. Seine Lippen schmeckten nach Holz und erst jetzt bemerkte er, wie sehr seine Finger schmerzten. Hinter ihm stand seine Großmutter. Sie sah enttäuscht aus.
    »Du spielst jetzt seit über zwei Stunden, Kai. Wenn sich bis jetzt kein Irrlicht gezeigt hat, wird auch in der nächsten Stunde keines kommen. Ich befürchte, gar keines wird erscheinen.« Sie seufzte.
    Kai erhob sich und deutete mit der Flöte hilflos auf das Moor. Irgendwo in der Ferne zerplatzte eine Blase.
    »Aber ... aber ich weiß, dass ich das Zeug zu einem guten Irrlichtjäger habe«, stammelte er. Wie lange hatte er sich auf diesen Abend vorbereitet? Monate. Niemals wäre ihm in den Sinn gekommen, dass ausgerechnet er zu jenen gehören könnte, die bei der alles entscheidenden Prüfung versagten.
    »Kai...«
    »Großmutter, du musst mir glauben. Ich habe ihre Wärme gefühlt, so wie du es mir beschrieben hast. Aber immer wenn ich mich noch mehr ins Zeug gelegt habe, dann ... Sicher mache ich nur irgendetwas falsch. Es muss an der Melodie liegen. Wenn ich ...«
    »Kai, das Lied ist es nicht allein. Weißt du noch, wie du mich damals gefragt hast, warum sich Irrlichter auf diese Weise anlocken lassen?«
    Kai nickte verzagt.
    »Ich konnte dir darauf keine Antwort geben. Niemand kann das, aber manchmal glaube ich, das Spiel dient mehr dir selbst. Es soll dem Irrlichtjäger dabei helfen, sein Herz zu öffnen.«
    »Wie meinst du das?«
    »Ich kann dir das selbst nicht so genau erklären«, flüsterte seine Großmutter. »Es ist nur so ein Gefühl. Nicht jeder besitzt die Fähigkeit, ein Irrlicht anzulocken, und bei manchen dauert es eben etwas länger. Das ist keine Schande. Wir können es im nächsten Monat noch einmal probieren. Vielleicht etwas weiter im Westen? Da habe ich schon viele Irrlichter gefangen. Sollte dann immer noch kein Irrlicht erscheinen, na ja, du bist erst fünfzehn. Aus dir kann auch noch ein tüchtiger Torfstecher werden.« »Nein!« Kai schüttelte aufgebracht den Kopf und seine Finger schlossen sich fester um das Instrument. »Großmutter, ich spüre sie. Ich fühle ihre Wärme.«
    »Ihre ? Du willst mir weismachen, du spürst die Anwesenheit mehrerer Irrlichter?« Kai nickte aufgewühlt.
    »Das ist unmöglich.« Unwirsch strich die alte Frau ihr Kleid glatt und brachte einen Schritt Abstand zwischen sich und den Jungen. Ihre Augen funkelten. »Ich kenne keinen Irrlichtjäger, der mehr als ein Irrlicht auf einmal anzulocken vermag.«
    »Großmutter, ich lüge dich nicht an«, begehrte Kai verzweifelt auf. »Ich schwöre dir, ich sage die Wahrheit. Ich konnte mehrere Irrlichter fühlen. Hier.« Er strich sich über die Wange. »Und hier.« Er deutete auf seine Stirn. »Sie sind irgendwo da draußen!« »Natürlich sind sie irgendwo da draußen. Wir haben heute Vollmond. Da schlüpfen sie so zahlreich aus ihren Verstecken wie in keiner anderen Nacht.« Sie musterte ihn nachdenklich.
    »Bitte, lass es mich noch einmal versuchen. Bitte!«, flehte er. »Sicher habe ich nur etwas falsch gemacht.«
    Seine Großmutter blickte müde zum Mond auf. »Gut, einen Versuch noch. Aber wenn es dir wieder nicht gelingt, gehen wir. Du weißt selbst, dass es gefährlich ist, um Mitternacht noch im Moor zu sein. Hier leben noch andere Wesen. Man sollte sie nicht herausfordern.« Die alte Frau zog fröstelnd ihr Schultertuch um
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