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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Autoren: Sebastian Keller
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ihn auch nicht einfach so liegen lassen, nach allem, was Erich über sie gehört hatte. Würde es sie wirklich geben, dann hätten sie ihn und alle anderen, die sie kriegen konnten, in ihre Höhlen im Wald geschleppt und sie da nach und nach aufgefressen. Wölfe also. Oder Banditen. Oder … ?
    Zitternd richtete Erich sich auf und rieb sich die Augen. Er blieb eine Weile hocken und betrachtete seine Hände. Sie waren mit einer dunklen, fleckigen Schicht bedeckt, die zu Boden rieselte, als er die Finger bewegte. Es dauerte einige Augenblicke, bis er begriff, dass es Staub und getrocknetes Blut waren. Ihm wurde übel und fast wäre er wieder ohnmächtig geworden. Ängstlich tastete er sich nach Verletzungen ab, aber obwohl seine Haare und sein Gesicht ebenfalls blutverkrustet waren, konnte er bis auf kleinere Schrammen an den Fingern keine entdecken. Dafür fühlten sich seine Muskeln an, als hätte er einen ganzen Tag lang Heubüschel auf den Erntewagen gewuchtet. Und dann dieser grauenvolle Geschmack in seinem Mund … Würgend und hustend schwankte er, mehr kriechend als gehend zum Brunnen und zog einen Eimer Wasser nach oben. Benommen betrachtete er die Gestalt, die ihm aus dem unruhigen Spiegel des Wassers im Eimer entgegenblickte. Aus den schwarzen Flecken, die sein Gesicht bedeckten, starrten ihn über einer schmalen Nase zwei unheimliche Augen an, die vom Schock noch immer geweitet waren. Das blutbespritzte Gesicht wurde umrahmt von glatten schwarzen Haaren, die nun zu dicken Strähnen zusammengeklebt waren. Es war ein Gesicht, das die ersten Spuren des Erwachsenwerdens zeigte.
    Hastig tauchte er seine Hände in den Eimer spritzte sich das Gesicht nass und goss sich schließlich alles über den Kopf, um sich vom Blut zu befreien. Doch die Kruste in seinen Haaren und auf seiner Kleidung war so hart, dass es nur immer mehr Blut zu werden schien, je länger er daran rieb. Mit wachsender Panik übergoss er sich mit einem Eimer kalten Wassers nach dem anderen, bis er vor Kälte ganz steif wurde, der Griff des Eimers seinen kraftlosen Händen entglitt und polternd zurück in den Brunnenschacht stürzte. Er sank schluchzend am Brunnenrand in sich zusammen und war zu keiner weiteren Bewegung mehr fähig.
    Er saß dort eine ganze Weile im Schlamm. Die Hitze der Sonne brachte den Platz zum Flirren und so dauerte es nicht lange, bis seine Haut getrocknet war. Die Wärme brachte neue Kraft in seinen Körper und er bemerkte, dass im Schatten des Wirtshauses etwas am Boden lag. Er stemmte sich hoch und seine Befürchtung, dass es sich dabei nicht um ein verendetes Tier handelte, wurde zur Gewissheit. Dort lag jemand. Inmitten einer Pfütze seines eigenen Blutes. Erneut überkam Erich Panik und seine Gedanken scheuten sich davor die nächste Entscheidung zu treffen. Was, wenn die Angreifer noch immer im Dorf waren? Wenn eine Räuberbande gerade die Häuser plünderte oder Raubritter dabei waren das Dorf in Brand zu stecken? Was wenn ein Drache Feuer speiend nach seinem nächsten Opfer suchte? Erich schüttelte den Kopf. Er musste sich zur Ruhe zwingen. Diese unsinnigen Gedanken nutzten ihm jetzt gar nichts. Es gab keine Drachen. Aber der Mann vor ihm war dennoch tot. Erich musste herausfinden, was hier vor sich ging. Er musste wissen wie groß die Gefahr für ihn war. Vorsichtig näherte er sich der reglos daliegenden Gestalt. Die Arme und Beine des Mannes waren vom Körper gestreckt und das Gesicht lag nach unten, so dass er nicht gleich erkennen konnte, um wen es sich beim Toten handelte. Doch als er noch näher herankam und beinahe schon in der Pfütze stand, die das Blut im Staub des Platzes gebildet hatte, sah er den aus Messing getriebenen Halsreif mit den Löwenköpfen als Enden, der nur von Mamre dem Schmied und seinem Gehilfen getragen wurde. Kein Zweifel: Da lag der kräftige Schmiedemeister und regte sich nicht mehr. Erich wagte es nicht, ihn umzudrehen, um herauszufinden, woran er gestorben war. Das viele Blut genügte ihm, um zu wissen, dass es kein natürlicher Tod gewesen sein konnte. Aber wer waren die Angreifer? Und wo waren sie jetzt? Warum hatten sie das Dorf nicht niedergebrannt? Warum waren Hütten und Häuser anscheinend unversehrt? Erich war noch nie Opfer eines Überfalls gewesen, aber er wusste aus Erzählungen, dass die betroffenen Dörfer danach immer einem Schlachtfeld glichen. Räuber warfen Hab und Gut auf die Straße, um sich das Beste davon herauszusuchen und die Verstecke hinter Schränken
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