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Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)

Titel: Die Chronik der Hürnin (Das Alte Reich)
Autoren: Sebastian Keller
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Er wusste nicht warum, aber er spürte, dass er sich von nun an von allen Menschen fernhalten musste. Er fühlte noch immer das Blut an seinen Händen kleben und wollte einfach nur weg von dem Gemetzel und allem, was damit zusammenhing. Halbherzig versuchte er ein Lied vor sich hinzusummen, um sich Mut zu machen, aber es hörte sich so jämmerlich an, dass er bald verstummte. Statt dessen holte er den Apfel aus seiner Hemdtasche und biss hinein, nur um kurz darauf angewidert das Gesicht zu verziehen. In dem abgebissenen Stück, das er in seine Handfläche spuckte, fand er einen sich windenden Wurm. Er wusste nicht warum, aber dieser Anblick brachte erneut Tränen in seine Augen.
    Ohne festes Ziel ging er nach Norden, in die Richtung in der die großen Berge aufragten, von denen man munkelte, dass dort Zwerge auf Schatzkammern voll unermesslichem Reichtum sitzen würden. Nicht, dass er sich danach gesehnt hätte Zwerge und Reichtum zu finden, aber diese Richtung war so gut wie jede andere, vielleicht sogar besser. Im Süden waren die großen Städte, Sunterak, das Reich der Menschen mit ihren unzähligen Clans und Stämmen unter der Herrschaft des Scharif, dem Ethel und die Bewohner des Dorfes den Rücken gekehrt hatten. Sie hatten nicht oft vom Süden geredet und wenn, dann waren ihre Stimmen dabei bitter und ihre Augen kalt. Wahrscheinlich war das einer der Gründe, warum Erich nicht in diese Richtung gehen wollte.
    Im Osten lag das Meer mit seinen Inseln und Buchten, nach dem Erich noch nie Verlangen gespürt hatte. Auch dort gab es große Städte, die Handel und Fischfang betrieben und auch wenn Erich sie zuvor vielleicht gerne mal besucht hätte waren sie ihm nun völlig gleichgültig. Und der Westen, wo es, so weit er wusste, nichts gab als Wald, erschien ebenfalls nicht sehr einladend. Ein paar Köhler lebten dort, verschrobene Jäger und Fallensteller, die so wenig von der menschlichen Gesellschaft hielten, dass sie lieber ganz für sich allein blieben und einen kleinen Jungen bestimmt nicht besonders freundlich aufnehmen würden.
    Nein, der Norden war für Erich die einzig mögliche Richtung und ich wusste warum: Dort lag sein Ziel. Hinter den Bergen und inmitten des Horntals. Vergessen, aber nicht verloren.
    Erich ging einige Zeit durch das Unterholz, das immer unzugänglicher wurde, je weiter er sich vom Dorf entfernte und wälzte in seinem Kopf die Frage, was in seinem Dorf passiert sein könnte und warum er davon verschont geblieben war. Er kletterte gerade über einen umgestürzten Baumstamm, als ihn wie ein Blitz die Erkenntnis traf, dass er möglicherweise gar nicht der einzige Überlebende war. Vielleicht hatten es auch andere geschafft zu fliehen und sich im Wald zu verstecken! Er fluchte und schalt sich einen Idioten, dass er nicht eher daran gedacht hatte, und machte sich auf der Stelle auf den Rückweg. Aber es wurde schon dunkel und er würde nicht mehr weit kommen. Er irrte eine Weile herum und als er einsah, dass das keinen Sinn machte, hockte er sich schließlich zusammengekauert unter einen Baum, aß sein Brot und das Fleisch und schlang dann die Arme um seine Schultern, um sich so gut es ging gegen die aus dem Boden kriechende Kälte zu schützen. Misstrauisch starrte er in die Dunkelheit.
    " Ich könnte Euch zeigen, wie man ein Feuer macht, Herr. ", sagte ich leise, während ich vorsichtig sichtbar wurde, um ihn nicht wieder zu erschrecken, aber er zuckte dennoch zusammen.
    "Du sollst verschwinden habe ich gesagt!", fauchte er. "Ich bilde dich mir nur ein. Es gibt dich überhaupt nicht wirklich." Er sah mich mit einer Mischung aus Angst und Abscheu an. Ich nickte. Ein wenig verwirrt, da ich eine solche Ablehnung nicht erwartet hatte, aber es wäre mir nie in den Sinn gekommen, den Befehl meines Meisters zu missachten. So blieb ich weiter bei ihm, ohne dass er mich bemerkte. Die ganze Nacht wachte ich über seinen unruhigen, von Alpträumen geplagten Schlaf und hielt mich bereit, ihn zu wecken, sollten sich hungrige Wölfe oder ein verirrter Bär in der Gegend herumtreiben. Aber nichts dergleichen war nötig. Die Tiere des Waldes hielten sich fern. Nur ein alter Uhu verweilte kurz, um den Schläfer für einige Momente zu beäugen und dann wieder seinem eigenen Tun nachzugehen.
    Als am nächsten Morgen die ersten Vögel in der Dunkelheit ihr Lied zu singen begannen, erwachte Erich und machte sich schniefend und mit steifen Gliedern auf den Rückweg zum Dorf. Es gab eine Höhle nicht weit von
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