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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben
Autoren: Joseph Wambaugh
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Heulschwester von Sergeant? hatte ihn einmal erwischt, wie er damit einen Betrunkenen verprügelte, und ihm daraufhin verboten, die Dinger im Dienst zu tragen). Das plötzliche Anreißen des Seils, der Schlag und die Wucht des Aufpralls auf dem Erdboden verfehlten ihre Wirkung auf das Pony nie, so daß es für ein paar Wochen wieder spurte. Nach einer Weile vergaß das blöde Vieh diese Prozedur allerdings wieder und wurde störrisch. Dann brauchte es eben wieder eine ›Lektion‹. Roscoe Rules war der festen Überzeugung, daß sich Menschen und Tiere kaum voneinander unterschieden – sie waren alle Säcke.
    Roscoe war sehr stolz auf das gesunde Landleben und die heile Welt, die er für seine Söhne fernab dem Chaos der Großstadt geschaffen hatte. Er zählte bereits die Jahre, Monate und Wochen, bis er sich nach zwanzig Jahren Dienst endgültig mit einer kleinen Pension auf seine Ranch östlich von Chino zurückziehen würde können. Er wollte sich dann den Rest seiner Tage seiner Frau Clara (einer heimlichen Trinkerin) widmen, seine Enkelkinder in derselben amerikanischen Tradition großziehen, ihnen allen ein Pony kaufen und sie zu Baseball-Stars machen. Und natürlich wollte er ihnen alle Vorteile bieten in deren Genuß schon seine Kinder gekommen waren.
    Wie die meisten Polizisten war Roscoe politisch konservativ eingestellt, was zum einen auf den unvermeidlichen Zynismus zurückzuführen war, den die Arbeit bei der Polizei notgedrungen bewirkt, zum anderen jedoch auf seinen Menschenhaß, dessen Wurzeln sicher in seiner Kindheit zu suchen waren. Er hatte in Vietnam gedient und wäre fast beim Militär geblieben, hätte ihn nicht eines Tages ein Werbeplakat des Los Angeles Police Department veranlaßt, die Vorteile der Polizeiarbeit mit denen des Militärs zu vergleichen.
    Roscoe war nicht religiös. Er runzelte über die Verlautbarungen des Papstes nur die Stirn und machte seiner Frau, einer Presbyterianerin, das Leben schwer, indem er ihr vorhielt, sie mache aus ihren Söhnen nur Schwächlinge, wenn sie sie zur Sonntagsschule gehen ließ. Roscoe meinte, anstatt auch noch die andere Wange hinzuhalten, sollte man kräftig zurückschlagen und diese Dreckskerle ungespitzt in den Boden rammen und ihnen auf dem Schädel herumtrampeln, bis ihnen die Zunge so weit zum Maul heraushing, daß man sie ihnen mehrmals um den Hals wickeln konnte. Und wenn Jesus Christus nicht den Mumm in den Knochen hätte, so mit seinen Feinden umzuspringen, dann wäre er auch nichts weiter als ein schwuler Jude. Und Roscoe Rules würde seine Söhne nicht zu Schwulen erziehen.
    Aber Roscoe Rules hatte auch Humor. In seiner Brieftasche hatte er zwei Fotos aus den Tagen bei der Army, die schon langsam verknittert und verblichen waren, obwohl sie in einem Plastikschutzumschlag steckten. Auf einem war ein zwölf- oder dreizehnjähriges vietnamesisches Mädchen zu sehen, das sich fünf Dollar zu verdienen versuchte, indem es mit einem ausgezehrten Ochsen kopulierte, den Roscoe und einige andere amerikanische Cowboys mit einem Lasso eingefangen und gefesselt hatten, um dann in seinem Bambuspferch wie wild auf seinen Rücken einzudreschen.
    Das zweite Foto, das schon jeder in der Wilshire-Station gesehen hatte, zeigte Roscoe mit dem abgetrennten Kopf eines Vietkongsoldaten. Roscoe hatte den Kopf am Haar gepackt und schnitt mit weit heraushängender Zunge und zur Seite geneigtem Kopf eine Grimasse in die Kamera. Über den unteren Rand des Fotos war ›Igor mit Freund‹ geschrieben.
    Wasmeinstdu-Dean haßte es, jemanden zum Partner zu haben, der so fies und kaputt war wie Roscoe Rules. Er war sich seiner eigenen physischen Begrenzungen durchaus bewußt und riskierte auf der Straße kaum einmal eine kesse Lippe, es sei denn, er war sich absolut sicher, daß sein Gegenüber schon allein durch seine Polizeiuniform entsprechend eingeschüchtert war. In solch einem Fall warf er dann auch mit einem gelegentlichen ›Arschloch‹ oder ›Sack‹ um sich, um Roscoe eine Freude zu machen.
    »Weißt du, weshalb Nigger selbst ernsthafte Verletzungen überleben, Partner?« fragte Roscoe Rules Wasmeinstdu-Dean.
    »Nein, wieso, Henry?« erwiderte Wasmeinstdu-Dean mit einer Gegenfrage, wobei er Rules bei seinem von den anderen Chorknaben verabscheuten richtigen Namen nannte.
    »Sie sind zu blöd, um einen Schock zu bekommen.« Wasmeinstdu-Dean kicherte und sah kurz vom Steuer auf. Dabei fiel sein Blick auf die brauenlosen blauen Augen von Roscoe Rules und auf
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