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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben
Autoren: Joseph Wambaugh
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schicken sie seine Schecks an irgendeine Adresse in einem abgelegenen, kleinen Nest in Utah. Wright wurde gefeuert. Van Moot ebenfalls. Damit bleiben nur noch vier, Lieutenant: Rules, Dean Pratt, Tanaguchi und Potts. Und ich nehme an, daß sie nach einem halben Jahr ohne Gehalt schön brav kuschen werden.«
    »Ich finde trotzdem, daß es nicht gut war, sie nicht zu versetzen. Lieber hätte man diese Burschen nach ihrer sechsmonatigen Suspendierung in alle Winde verstreuen sollen.«
    »Aber auf diese Weise kann das Präsidium demonstrieren, daß disziplinäre Maßnahmen ihre Wirkung auf Unruhestifter keineswegs verfehlen. Sie werden völlig zahme und harmlose Ex-Unruhestifter sein, meinen Sie nicht auch?«
    »Ja, dieser Gedanke steckt vermutlich dahinter«, nickte Lieutenant Woodcock.
    »Nur waren sie gar keine Unruhestifter.«
    »Wie meinen Sie das?« Der Lieutenant sah den Sergeant prüfend an. Nick Yanovs halb gerauchte Zigarette klebte an seinen Lippen, ohne daß er sie ein einziges Mal aus dem Mund genommen hätte.
    Nick Yanov starrte auf die schlafenden Enten in dem friedlichen Teich und sagte: »Sie waren nichts weiter als ganz gewöhnliche Polizisten, ganz normale junge Kerle. Vielleicht nur ein wenig einsamer als andere. Vielleicht haben sie sich immer dann zusammengetan, wenn sie sich besonders einsam gefühlt haben. Oder wenn sie besonders Angst gehabt haben.«
    » Ganz normal! Wie können Sie so etwas sagen, Yanov? Ich habe gehört, daß sie sich aufgeführt haben wie die Tiere. Sie haben sogar Frauen zu ihren Orgien angeschleppt. Einer von ihnen war möglicherweise drogenabhängig und pervers. Der Mann, der sich erschossen hat. Wie hieß er doch gleich wieder?«
    »Baxter Slate. Ich habe ihn gemocht.«
    »Mein Gott, Yanov, aus dieser Geschichte sollte doch jeder Polizist etwas lernen!«
    »Was haben Sie denn daraus gelernt, Lieutenant?«
    Lieutenant Woodcock beobachtete den breitschultrigen Sergeant, der seine Augen nicht einen Augenblick von dem schimmernden Wasser abwandte. Der Lieutenant nahm sich vor, seinen Außendienstsergeant künftig gut im Auge zu behalten, den Vorfall Captain Drobeck zu melden und unter Umständen den freien Tag zu streichen, den Nick Yanov beantragt hatte. Schließlich antwortete der Lieutenant: »Degenerierte Selbstmörder. Betrunkene Mörder. Hurenböcke. Möglicherweise Rauschgiftsüchtige. Sergeant, diese Männer würden doch versuchen, eine achtzigjährige Nonne zu verführen. Oder ihr den Arm brechen.«
    »Vielleicht«, erwiderte Nick Yanov und ließ den Rauch durch seine Nase entweichen. »Aber sie würden ihr zumindest nicht ihre Handtasche stehlen.«
    »Sollen das die Kriterien für einen Polizisten sein, Yanov? Reicht das schon aus, um ein guter Polizist zu sein?«
    »Keine Ahnung, Lieutenant. Ich weiß wirklich nicht, was einen guten Polizisten ausmacht. Oder überhaupt einen guten Irgendetwas.«
    »Fahren wir wieder zum Revier zurück«, brummte der Schichtkommandant verdrießlich. »Ganz schön kalt hier draußen.« Für einen Augenblick stand Sergeant Nick Yanov allein auf dem feuchten Rasen und drückte mit seinem Gewicht seine Fußabdrücke in die aufgeweichte schwarze Erde. Das Gras roch frisch und feucht, und die Bäume duckten sich im Dunkel wie gigantische Wachteln. Der Ententeich schimmerte wie silberner und schwarzer Saphir. Die Baumkronen raschelten und rauschten im kalten Nachtwind, der die weißen Blüten eines Birnbaums durch das Dunkel trieb.
    Nick Yanov sah auf zu der brütenden Finsternis, zu dem verschwommenen, halb verdeckten Mond. Nicht ein Stern war zu sehen. Nicht einmal der große Stern durchdrang den nachtschwarzen Himmel. Nick Yanov stand an der Stelle, wo sie ihre Decken auf das Gras gebreitet hatten, nahe genug am Wasser, um sich wie in der freien Natur zu fühlen; hier, mitten im gefräßigen Bauch der gewalttätigen Stadt. Er spürte den leichten Nieselregen auf seinem Gesicht; dennoch wollte er in dieser Einsamkeit verweilen, während abgestorbene Blätter wie Fetzen von altem braunem Pergament um seine Füße raschelten.
    Dann schnippte er seine Zigarette auf den Teich hinaus, hörte ihr kurzes Zischen und beobachtete, wie sie auf der Wasseroberfläche dahintrieb. Es tat ihm unmittelbar darauf leid, daß er das getan hatte. Aber es schwammen noch andere Abfälle auf dem stillen Wasser des Teichs; und unter den Büschen lag aller möglicher Müll, wenn man im Schein des Monds näher hinsah.
    Aber er wollte nicht näher hinsehen. Er
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