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Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben
Autoren: Joseph Wambaugh
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gefeuert. Sechzehn Jahre gingen wie nichts in Rauch auf. Lieutenant Rudy Ortiz beschuldigte den Untersuchungsausschuß, die Abteilung für interne Angelegenheiten und die Polizeidirektion wütend der Rücksichtslosigkeit und Unnachgiebigkeit. Er gab dabei zu, daß er eine Weile für zivile Aufsichtsausschüsse gewesen war; nicht um die Bürger vor übereifrigen Polizisten zu schützen – dafür gab es andere rechtliche Maßnahmen –, sondern um die Polizisten vor übereifrigen Verfechtern disziplinarischer Maßnahmen innerhalb der eigenen Reihen zu schützen. Er sprach sich aus gegen den Einsatz von Lügendetektoren und ihre Heranziehung als Beweismaterial, die Übernahme von Informationen, deren Stichhaltigkeit durch nichts überprüfbar war, die Entscheidungswillkür der Ermittlungsbeamten hinsichtlich Wahrheit und Unwahrheit und die willkürlichen Durchsuchungen der betreffenden Person, ihres Schließfachs, ihres Privatwagens und sogar ihrer Wohnung, und das alles unter der Androhung eines Verfahrens wegen Unbotmäßigkeit, eines Vergehens, das mit Entlassung geahndet werden konnte.
    Lieutenant Rudy Ortiz durfte also seine kleine Rede über polizeiinterne Ermittlungen und die Rechte der Polizisten halten. Und das tat auch Assistant Chief Adrian Lynch. Im privaten Kreis erklärte er, dieser Pomadenheini Ortiz könnte es nur dann zum Captain bringen, wenn er in die mexikanische Armee eintreten würde.
    Pater Willies Untersuchungsausschuß arbeitete sogar noch schneller. Im Gegensatz zu Spencer, der den Raum zwar zitternd, aber doch trotzig verließ, brach Pater Willie beim Urteilsspruch in Schluchzen aus.
    Nachdem Spencer und Pater Willie gefeuert worden waren, ließen die anderen Chorknaben in ihrem Widerstand nach. Sie alle gaben vor ihrem jeweiligen Untersuchungsausschuß ihre Schuld zu und nahmen dankbar die sechsmonatige Suspendierung zur Kenntnis. Als Belohnung für seine Mithilfe bei der Aufklärung des Falls erhielt Spermwhale Whalen sogar nur dreißig Tage Suspendierung.
    Sam Niles befand sich nach wie vor in psychiatrischer Behandlung und wurde von der Direktion in aller Stille entlassen. Da er weniger als fünf Jahre bei der Polizei gewesen war, mußte ihm die Stadt keine Rente für die Behinderung zahlen, die nach Auffassung der Stadtverwaltung nicht durch seine polizeiliche Arbeit hervorgerufen worden war. Sam Niles wurde erst ins Veterans Hospital eingeliefert, von wo aus er dann ins Camarillo State Hospital kam.
    Harold Bloomguard wurde gebeten, seine Besuche einzustellen, da diese den Patienten zu beunruhigen schienen.

 

    Epilog
    E s war ein wenig unheimlich, in dieser feuchten und kalten Winternacht im Februar im MacArthur Park zu stehen. Sergeant Nick Yanov sah sich die Stelle an, die aufzusuchen er sich nie zuvor die Mühe gemacht hatte. Diesmal galt es jedoch, die Neugierde seines neues Chefs, Lieutenant Willard Woodcocks, zu befriedigen, eines vor kurzem beförderten, einunddreißigjährigen Schlaubergers, von dem es hieß, daß ihm eine glänzende Karriere bevorstand.
    »Hier ist es also passiert?« bemerkte Lieutenant Woodcock. Seine funkelnagelneue Mütze mit dem goldenen Lieutenantabzeichen war ihm eine Spur zu groß. Aufgrund seines frischen Haarschnitts rutschte sie ihm leicht über die Ohren.
    »Ja, genau hier, soweit ich informiert bin«, nickte Sergeant Nick Yanov, die Hände in den Taschen seiner blauen Jacke, eine Zigarette von seinen Lippen baumelnd, die sich weiß gegen sein dunkles, stoppliges Kinn abhob.
    »Das ist jetzt etwa sechs Monate her, oder?«
    »Ja, so ungefähr.«
    »Sie werden also in den nächsten Tagen wieder den Dienst antreten. Ich finde, wir sollten uns deshalb etwas überlegen.«
    »Etwas überlegen?«
    »Ja. Wir können nicht zulassen, daß diese Kerle sich wieder zusammentun.«
    »Viele sind sowieso nicht mehr übrig, um sich zusammenzutun«, hielt Nick Yanov dem entgegen, um dann seine Fäuste tiefer in seine Taschen zu schieben und den Kragen der alten Jacke hochzustellen, von deren Ärmel sich der zerschlissene Sergeantwinkel bereits zu lösen begann.
    »Aber immerhin genug, um uns Scherereien zu machen.«
    »Slate ist tot. Niles verstümmelt sich im Krankenhaus ab und zu selbst. Bloomguard hat den Dienst quittiert …«
    »Was treibt eigentlich dieser Dicke jetzt, der damals als Zeuge des Präsidiums aufgetreten ist.«
    »Whalen, der ist jetzt in Pension. Letzten Monat hat er seine zwanzig Jahre endlich hinter sich gebracht. Soviel ich gehört habe,
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