Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chorknaben

Die Chorknaben

Titel: Die Chorknaben
Autoren: Joseph Wambaugh
Vom Netzwerk:
seine sommersprossigen Hände, die nervös nach seinem Hodensack tasteten, was vor allem dann der Fall war, wenn das Gespräch auf Frauen kam. Roscoe war einer von den Polizisten, die in den späten Nachmittagstunden gelangweilt in ihrem Streifenwagen saßen, von ihren unglaublichen sexuellen Erlebnissen in Vietnam oder Tijuana erzählten und sich dabei ihre Genitalien massierten, bis ihren Partnern übel wurde.
    Mit Roscoe Rules zu arbeiten mochte zwar vieles sein, aber langweilig war es nie. Er war, wie man das im LAPD-Jargon nennt, eine »Vierfünfzehn-Persönlichkeit«. 415 ist die Nummer des Paragraphen im kalifornischen Strafrecht, der sich mit Ruhestörung befaßt. Roscoe Rules hatte auch tatsächlich durch seine bloße Anwesenheit schon mehr als genug harmlose Familienstreitigkeiten oder Auseinandersetzungen zwischen Mietern und Hausbesitzern in kleinere Aufstände verwandelt. Er war innerhalb seiner Abteilung häufiger versetzt worden als alle anderen Kollegen, war Gegenstand zahlreicher Beschwerden wegen übertriebener Gewaltanwendung, wobei diese nicht nur von gewöhnlichen Bürgern kamen, sondern auch von Kontrollbeamten, die in der Regel an Methoden, derer sich Roscoe Rules bediente, selten etwas auszusetzen hatten. Zumindest nicht, wenn sich diese Polizisten auf Funksprüche sofort meldeten, mindestens einen Strafzettel pro Tag ausschrieben und täglich mindestens drei Personen zwecks einer Durchsuchung anhielten.
    Während ihrer ersten Woche als Partner verursachte Roscoe einen mittleren Aufstand. Sie befanden sich im Distrikt 7-A-77, aber Calvin Potts und Francis Tanaguchi hatten gerade in 7-A-29 zu tun, während Harold Bloomguard und Sam Niles in 7-A-1 beschäftigt waren und Spermwhale Whalen und Baxter Slate ihren Wagen in einem Hinterhof in der Nähe des Crenshaw Boulevard abgestellt hatten, wo Spermwhale gerade von einer schwarzen Nutte, die er noch aus den alten Zeiten in der University-Station kannte, lustlos einen geblasen bekam.
    Das Ganze hatte als ein Streit unter Nachbarn begonnen, und bis Roscoe und Wasmeinstdu-Dean am Schauplatz des Geschehens eintrafen, hatte sich die potentiell durchaus brisante Lage in dem Wohnblock an der Cloverdale, dessen Parteien etwas ungünstig zusammengewürfelt waren, wieder so weit entspannt, daß man sich zwar noch wüst beschimpfte, aber doch insgesamt bemüht war, das Gesicht zu wahren. Verwickelt waren in die Sache zwei müde Männer, ein Mexikaner und ein Schwarzer, die nicht wirklich gewillt waren, sich um ihrer keifenden Frauen willen oder aus sonst einem Anlaß zu prügeln.
    »Hier war ich schon mal«, bemerkte Roscoe, als sie an jenem Abend gegen neun Uhr die Treppe hinaufstiegen. »Irgend so eine bescheuerte Alte erstattete Anzeige, daß einer ihrer Schratzen vermißt war. Sie hatte so viele Fratzen um sich herum, daß sie ganz vergessen hatte, daß der kleine Scheißer für eine Woche in einem Sommercamp der Polizei untergebracht war. Für was für Leute unsere Sommercamps gut sind. Jedenfalls hat die Alte erst gemerkt, daß der Kleine weg war, als sie ihre Bande mal durchzählen ließ.« Wasmeinstdu-Dean schüttelte es leicht, als er ein Team von Schaben ein Stückchen schleimig roten Hamburger bearbeiten sah, der auf dem Treppenabsatz vor sich hin stand.
    An der Tür des Hausmeisters war ein Schild angebracht.
    »Herumlungern in diesem Gebäude nicht gestattet. Wegen Entführung, Belästigung und Beraubung weiblicher Mieter werden Herumlungerer strafrechtlich verfolgt.« Auf dem zweiten Treppenabsatz passierten sie eine schwer torkelnde schwarze Frau mit einer Mordsfahne, die sie völlig ignorierte. Sie war barfuß und trug eine zu enge schwarze Hose und eine extraweite, schmutzige Bluse, die ihr heraushing. »Na, ein bißchen zu tief ins Glas geschaut, Alte«, blinzelte Roscoe Wasmeinstdu-Dean zu und versetzte der Frau einen kräftigen Schlag auf den Hintern.
    Roscoe war immer noch am Kichern, als sie auf die letzten verglimmenden Überreste des ehemals gefährlich auflodernden Nachbarschaftszwists stießen. Die rivalisierenden Parteien waren ziemlich gleich verteilt. Jede wurde von der üblichen Anhäufung von Ehemännern und -frauen, kleinen und großen Kindern unterstützt. Die Mexikaner halfen zu den Mexikanern, die Schwarzen zu den Schwarzen. Auf dem Höhepunkt der Auseinandersetzung hatten zweiundzwanzig Personen erbost aufeinander eingeschrien. Inzwischen standen allerdings nur noch die Ehemänner der zerstrittenen Frauen etwas unter
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher