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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin
Autoren: Tess Gerritsen
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vorüberschlenderten und im Halbdunkel der hinteren Regalreihen verschwanden.
    »Mann, sind die groß geworden«, murmelte er erstaunt.
    »Mr. Hobbs.«
    »Ha?«
    »Wenn Sie den Mann auf dem Foto sehen, rufen Sie mich bitte sofort an.« Sie reichte ihm ihre Karte. »Ich bin rund um die Uhr zu erreichen. Über den Piepser oder das Handy.«
    »Ja, ja, schon klar.«
    Die Mädels, jetzt beladen mit einer Tüte Kartoffelchips und einem Sechserpack Diät-Cola, kamen zur Kasse zurück. Sie standen da in all ihrer jugendlichen, BH-losen Pracht, mit ihren ärmellosen T-Shirts, unter denen sich die Brustwarzen abzeichneten. Dean Hobbs weidete sich ausgiebig an dem Anblick, und Rizzoli fragte sich, ob er sie schon völlig vergessen hatte.
    Die Geschichte meines Lebens. Ein hübsches Ding kommt rein, und schon bin ich unsichtbar.
    Sie verließ den Supermarkt und ging zu ihrem Wagen zurück. In der kurzen Zeit, die er in der Sonne gestanden hatte, war das Wageninnere bereits zum Backofen geworden. Sie öffnete die Tür und wartete, bis es sich etwas abgekühlt hatte. Auf Lithias Hauptstraße rührte sich nichts. Sie sah eine Tankstelle, eine Eisenwarenhandlung und ein Café, aber keine Menschen. Die Hitze hatte alle in ihre Häuser getrieben, und von allen Seiten konnte sie das Rattern von Klimaanlagen hören. Selbst im kleinstädtischen Amerika saß niemand mehr draußen im Schaukelstuhl und fächelte sich Luft zu. Das Wunder der Elektrizität hatte die Veranda überflüssig gemacht.
    Sie hörte, wie sich die Tür des Ladens mit Gebimmel schloss, und sah die beiden Teenager träge im Sonnenschein davonschlendern; die einzigen Lebewesen, die sich ringsum rührten. Während sie die Straße entlanggingen, sah Rizzoli, wie an einem Fenster die Gardinen beiseite geschoben wurden. In einer kleinen Stadt blieb nichts unbemerkt. Schon gar nicht zwei hübsche junge Frauen.
    Wäre es den Leuten aufgefallen, wenn eine verschwunden wäre?
    Sie schlug die Wagentür wieder zu und ging zurück zum Supermarkt.
    Mr. Hobbs war in der Obst- und Gemüseabteilung, wo er geschickt die frischen Salatköpfe in die hinterste Ecke des Kühlregals verfrachtete und die verwelkten nach vorne holte.
    »Mr. Hobbs?«
    Er drehte sich um. »Sie schon wieder?«
    »Noch eine Frage.«
    »Das heißt noch nicht, dass Sie ’ne Antwort kriegen.«
    »Wohnen in dieser Stadt irgendwelche Asiatinnen?«
    Das war eine Frage, mit der er nicht gerechnet hatte, und er konnte sie nur perplex anglotzen. »Was?«
    »Eine Chinesin oder eine Japanerin. Oder vielleicht eine Indianerin.«
    »Wir haben hier ein, zwei schwarze Familien«, meinte er, als ob die es zur Not auch tun würden.
    »Möglicherweise wird eine Frau vermisst. Lange schwarze Haare, sehr glatt, bis über die Schultern.«
    »Und Sie sagen, sie ist ’ne Orientalin?«
    »Oder vielleicht auch eine amerikanische Ureinwohnerin.«
     
    Er lachte. »Nee, das glaub ich nicht, dass die eine von denen ist.«
    Rizzoli war plötzlich hellwach. Er hatte sich wieder dem Gemüse zugewandt und begann alte Zucchini auf die frische Lieferung zu stapeln.
    »Wer ist die, Mr. Hobbs?«
    »Keine Orientalin, das ist mal sicher. Und auch keine Indianerin.«
    »Sie kennen sie?«
    »Hab sie ein-, zweimal hier gesehen. Hat die alte Sturdee-Farm für den Sommer gemietet. Großes Mädchen. Nicht besonders hübsch.«
    Ja, das Letztere dürfte ihm kaum entgangen sein.
    »Wann haben Sie sie das letzte Mal gesehen?«
    Er drehte sich um und brüllte: »He, Margaret!«
    Die Tür zu einem Hinterzimmer ging auf, und Mrs. Hobbs kam heraus. »Was ist denn?«
    »Hast du nicht letzte Woche ’ne Lieferung zur Sturdee-Farm gefahren?«
    »Ja.«
    »Hattest du den Eindruck, dass mit dem Mädchen da draußen alles in Ordnung ist?«
    »Sie hat bezahlt.«
    Rizzoli fragte: »Haben Sie sie seither noch einmal gesehen, Mrs. Hobbs?«
    »Gab keinen Grund.«
    »Wo ist diese Sturdee-Farm?«
    »Draußen an der West Fork. Letztes Haus an der Straße.«
    Rizzoli blickte nach unten, als ihr Piepser sich meldete.
    »Dürfte ich mal Ihr Telefon benutzen?«, fragte sie. »Bei meinem Handy ist der Akku leer.«
    »Ist aber kein Ferngespräch, oder?«
    »Boston.«
    Er grunzte und wandte sich wieder seiner Zucchini-Auslage zu. »Draußen ist ’n Münztelefon.«
    Mit einem unterdrückten Fluch auf den Lippen stapfte Rizzoli hinaus in die Hitze, ging zu dem Fernsprecher und schob ein paar Münzen in den Schlitz.
    »Detective Frost.«
    »Sie haben mich gerade
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