Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin
Autoren: Tess Gerritsen
Vom Netzwerk:
feuern. Er hat mich angefleht.« Sie lachte; ein raues, hämisches Lachen, das seltsam fehl am Platz wirkte in dieser düsteren Höhle des Todes. »Es war eine jämmerliche Vorstellung. So war er, dein Held Andrew. Mich hat er angebettelt, ihm zu helfen.«
    Die Hand schloss sich fester um das Skalpell. Die Klinge schnitt wieder in ihren Bauch, und wieder sickerte Blut hervor und rann an ihrer Seite herab. Wild entschlossen unterdrückte sie den Instinkt, zurückzuzucken und aufzuschreien. Stattdessen redete sie immer weiter, und ihre Stimme klang so fest und sicher, als sei sie diejenige, die das Skalpell führte.
    »Er hat mir von dir erzählt. Das wusstest du nicht, oder?. Er sagte, du hättest es nicht mal fertig gebracht, eine Frau anzusprechen, so feige wärst du. Er musste sie für sich auftreiben.«
    »Lügnerin.«
    »Du hast ihm gar nichts bedeutet. Du warst nichts als ein Parasit, ein elender Wurm.«
    » Lügnerin! «
    Die Klinge senkte sich in ihr Fleisch, und so sehr sie auch dagegen ankämpfte, sie konnte nicht verhindern, dass ein erstickter Schrei ihrer Kehle entwich. Du wirst nicht gewinnen, du Bastard. Denn ich habe keine Angst mehr vor dir. Ich habe vor nichts mehr Angst.
    Sie starrte ihn an, und in ihren Augen loderte der Trotz der zum Untergang Verdammten, als er den nächsten Schnitt tat.

25
    Rizzoli stand vor dem Regal, beäugte kritisch die Reihe von Backmischungen und fragte sich, wie viele der Packungen wohl mit Mehlwürmern verseucht waren. Hobbs’ Supermarkt war die Art von Laden, wo man mit so etwas rechnen musste – düster und muffig, ein richtiger Tante-Emma-Laden, aber nur, wenn man sich Tante Emma als eine knauserige alte Schachtel vorstellte, die Schulkindern verdorbene Milch andrehte. Die hiesige Tante Emma war ein Mann und hieß Dean Hobbs, ein alter Yankee mit misstrauischen Augen, der jede Münze zweimal umdrehte, bevor er sie als Zahlungsmittel akzeptierte. Widerwillig gab er Rizzoli ihre zwei Cent Wechselgeld heraus und knallte die Registrierkasse zu.
    »Ich pass doch nicht auf, wer alles dieses Gelddings benutzt«, sagte er. »Die Bank hat das hier aufgestellt als Service für meine Kunden. Ich hab nichts damit zu tun.«
    »Das Geld wurde im Mai abgehoben. Zweihundert Dollar. Ich habe ein Foto des Mannes, der …«
    »Wie ich schon zu dem Typen von der Staatspolizei gesagt hab – das war im Mai, und jetzt haben wir August. Denken Sie, ich kann mich nach so langer Zeit noch an einen Kunden erinnern?«
    »Die Staatspolizei war hier?«
    »Heute Morgen, und die haben dieselben Fragen gestellt wie Sie. Redet ihr Bullen denn nicht miteinander?«
    Sie waren der Transaktion also bereits nachgegangen – nicht die Kollegen aus Boston, sondern die Staatspolizei. Mist, hier vergeudete sie nur ihre Zeit.
    Mr. Hobbs’ Blick heftete sich plötzlich auf einen Teenager, der die Süßwarenauslagen studierte. »He du, hast du auch vor, für diesen Snickers-Riegel zu bezahlen?«
    »Äh … ja.«
    »Dann hol ihn doch besser mal raus aus der Hosentasche, wie wär’s?«
    Der Junge legte den Schokoriegel ins Regal zurück und schlich sich aus dem Laden.
    Dean Hobbs gab ein mürrisches Grunzen von sich. »Der da macht immer nur Ärger.«
    »Sie kennen den Jungen?«, fragte Rizzoli.
    »Kenne seine Familie.«
    »Was ist mit Ihren anderen Kunden? Kennen Sie die meisten von ihnen?«
    »Haben Sie sich die Stadt schon angesehen?«
    »Ja, ich habe mich kurz mal umgeschaut.«
    »Na ja, das reicht auch vollkommen aus für Lithia. Zwölfhundert Einwohner. Gibt nicht viel zu sehen hier.«
    Rizzoli nahm das Bild von Warren Hoyt aus der Tasche. Es war ein zwei Jahre altes Führerscheinfoto. Etwas Besseres hatten sie nicht auftreiben können. Hoyt blickte direkt in die Kamera, ein schmalgesichtiger junger Mann mit Kurzhaarschnitt und einem seltsam unverbindlichen Lächeln. Dean Hobbs hatte es zwar schon gesehen, aber sie hielt es ihm dennoch hin. »Sein Name ist Warren Hoyt.«
    »Ja, hab ich schon gesehen. Die Staatspolizei hat’s mir gezeigt.«
    »Erkennen Sie ihn?«
    »Hab ihn heute Morgen nicht erkannt. Und jetzt erkenn ich ihn auch nicht.«
    »Sind Sie sicher?«
    »Höre ich mich etwa unsicher an?«
    Allerdings nicht. Er klang wie ein Mann, der nie seine Meinung änderte.
    Die Ladentür öffnete sich mit Glockengebimmel, und zwei weibliche Teenager kamen herein, zwei sonnige Blondinen mit Hotpants und langen, braun gebrannten Beinen. Dean Hobbs ließ sich für einen Moment ablenken, als sie kichernd
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher