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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin
Autoren: Tess Gerritsen
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Wieder versuchst du zu sprechen, und diesmal verstehe ich, was du mir sagen willst: Los doch. Mach ein Ende.
    Du redest nicht von ihr, sondern von dir.
    Ich schüttle den Kopf, entsetzt über das, was du von mir verlangst. Ich kann es nicht tun. Bitte, erwarte nicht, dass ich das tue! Ich bin gefangen zwischen deiner verzweifelten Bitte und meinem panischen Fluchtinstinkt.
    Tu es jetzt, flehen deine Augen mich an. Bevor sie kommen.
    Ich blicke auf deine Beine herab, nur noch nutzlose Anhängsel deines Körpers. Ich denke an die Hölle, die vor dir liegt, falls du überleben solltest. Ich könnte dir all das ersparen.
    Bitte.
    Ich drehe mich um und sehe die Frau an. Sie regt sich nicht, nimmt meine Anwesenheit nicht wahr. Ich würde am liebsten ihre Haare packen, ihren Kopf nach hinten zerren und die Klinge tief in ihren Hals stoßen, als Rache für das, was sie dir angetan hat. Doch sie müssen sie lebend finden. Nur wenn sie überlebt, kann ich der Verfolgung entgehen.
    Meine Hände schwitzen in den Gummihandschuhen, und als ich die Pistole aufhebe, fühlt sie sich unförmig und fremd an in meiner Hand.
    Ich stehe am Rand der Blutlache und blicke auf dich hinab. Ich denke an jenen verwunschenen Abend, als wir im Tempel der Artemis umherspazierten. Es war neblig, und ab und zu erhaschte ich zwischen den Bäumen einen flüchtigen Blick auf dich. Plötzlich bist du stehen geblieben und hast mich im Dämmerlicht angelächelt. Und unsere Blicke schienen sich über die tiefe Schlucht hinweg zu begegnen, die sich zwischen der Welt der Lebenden und der Welt der Toten erstreckt.
    Jetzt blicke ich über diesen Abgrund hinweg, und ich spüre, wie deine Augen auf mir ruhen.
    Ich tue es nur für dich, Andrew, denke ich. Ich tue es für dich.
    Ich sehe die Dankbarkeit in deinen Augen. Ich sehe sie noch, als ich die Pistole mit zitternden Händen hochhebe. Als ich ziele und abdrücke.
    Dein Blut spritzt mir ins Gesicht, warm wie Tränen.
    Ich drehe mich zu der Frau um, die immer noch bewusstlos über der Bettkante hängt. Ich lege die Pistole neben ihre Hand. Ich packe ihre Haare und schneide über dem Nacken eine Strähne ab, dort, wo es nicht auffällt. Diese Locke wird mich an sie erinnern. Ihr Duft wird mich an ihre Angst erinnern, so berauschend wie der Geruch von Blut. Das wird mir die Zeit bis zu unserem Wiedersehen überstehen helfen.
    Ich gehe zur Hintertür hinaus und tauche in die Nacht ein.
     
    Ich besitze diese kostbare Locke nicht mehr. Aber ich brauche sie auch nicht mehr, denn ihr Geruch ist mir so vertraut wie mein eigener. Ich weiß, wie ihr Blut schmeckt. Ich kenne den seidigen Schimmer des Schweißes auf ihrer Haut. All das bewahre ich in meinen Träumen auf, wo die Lust mit der Stimme einer Frau schreit und blutige Fußspuren hinterlässt. Nicht alle Souvenirs kann man in der Hand halten, betasten und streicheln. Manche können wir nur in den tiefsten Tiefen unseres Gehirns bewahren, in unserem innersten, tierhaften Kern, der unser aller Ursprung ist. Dem Teil von uns allen, den so viele gerne verleugnen.
    Ich habe ihn nie verleugnet. Ich stehe zu meinem innersten Wesen, ich bekenne mich bereitwillig dazu. Ich bin so, wie Gott mich geschaffen hat, wie Gott uns alle geschaffen hat.
    Wie das Lamm gesegnet ist, so auch der Löwe.
    So auch der Jäger.

Danksagung
    Den folgenden Personen bin ich zu ganz besonderem Dank verpflichtet:
    Bruce Blake und Detective Wayne R. Rock vom Boston Police Department und Dr. med. Chris Michalakes für ihre Hilfe in technischen Fragen.
    Jane Berkey, Don Cleary und Andrea Cirillo für ihre hilfreichen Kommentare zur ersten Fassung.
     
    Meiner Lektorin Linda Marrow für ihre behutsame Anleitung.
     
    Meinem Schutzengel Meg Ruley. (Jeder Autor und jede Autorin braucht eine Meg Ruley!)
     
    Und schließlich meinem Mann Jacob. Wie immer.
     
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