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Die Chirurgin

Die Chirurgin

Titel: Die Chirurgin
Autoren: Tess Gerritsen
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Taille im Empirestil. Der Bräutigam trug Schwarz.
    Anschließend wurde zu einem Empfang im Copley Plaza Hotel in der Back Bay geladen. Nach einer längeren Hochzeitsreise in die Karibik wird das Paar in Boston seinen Wohnsitz nehmen.
    Ich falte den Zeitungsausschnitt zusammen und stecke ihn unter meine Matratze, wo ihn niemand finden wird.
    Eine längere Hochzeitsreise in die Karibik.
    Sie ist jetzt dort.
    Ich sehe sie vor mir, wie sie mit geschlossenen Augen am Strand liegt. Sandkörnchen funkeln auf ihrer Haut. Ihr Haar ergießt sich wie rote Seide über das Badetuch. Sie döst in der Sonne, vollkommen entspannt und gelöst.
    Und dann, im nächsten Augenblick, erwacht sie mit einem Ruck. Sie reißt die Augen weit auf, ihr Herz hämmert wie wild. Die Angst treibt ihr den kalten Schweiß aus den Poren.
    Sie denkt an mich. So wie ich an sie denke.
    Wir sind für immer miteinander verbunden, sind uns so nahe wie zwei Liebende. Sie spürt es, wenn die Ranken meiner Fantasien sie umschlingen. Nie wird sie sich aus der Umklammerung befreien können.
    Das Licht in meiner Zelle geht aus –; die lange Nacht beginnt und mit ihr die Echos von Männern, die in Käfigen schlafen. Ihr Schnarchen, ihr Husten, ihr rasselnder Atem. Ihre im Traum gemurmelten Wortfetzen. Doch wenn endlich Stille einkehrt, ist es nicht Cordell, an die ich denke. Nein, du bist es – du, der Quell meines tiefsten Schmerzes.
    Wie gerne würde ich aus Lethe trinken, dem Strom des Vergessens, könnte ich damit nur die Erinnerung an unseren letzten Abend in Savannah auslöschen. Den Abend, als ich dich zum letzten Mal lebend sah. Jetzt tauchen die Bilder vor mir auf, drängen sich vor meine Netzhäute, während ich in die Finsternis meiner Zelle starre.
    Ich blicke auf deine Schultern herab, bewundere den dunklen Glanz deiner Haut, die sich so deutlich von ihrer abhebt, und beobachte, wie die Muskeln in deinem Rücken sich zusammenziehen, während du wieder und wieder in sie hineinstößt. An diesem Abend sehe ich zu, wie du sie nimmst, so wie du vor ihr all die anderen genommen hast. Und als du fertig bist, als du deinen Samen in ihr vergossen hast, blickst du lächelnd zu mir auf.
    Und du sagst: »So, jetzt ist sie bereit für dich. «
    Aber die Wirkung des Medikaments hat noch nicht nachgelassen, und als ich die Spitze des Skalpells auf ihre Haut drücke, zuckt sie kaum zusammen.
    Ohne Schmerz keine Lust.
    » Wir haben noch die ganze Nacht « , sagst du. » Du musst nur abwarten. «
    Mein Hals ist trocken, also gehen wir in die Küche, wo ich mir ein Glas Wasser hole. Die Nacht hat gerade erst begonnen, und meine Hände zittern vor Erregung. Der Gedanke an das, was als Nächstes kommt, hat mich ganz in seinen Bann geschlagen, und während ich von dem Wasser trinke, ermahne ich mich, das Vergnügen möglichst lange auszudehnen. Wir haben die ganze Nacht, und wir wollen sie bis zur Neige auskosten.
    Wenn du gut aufgepasst hast, müsstest du es schon können, sagst du zu mir. Heute Nacht, so hast du mir versprochen, gehört das Skalpell mir.
    Aber ich bin durstig, und deshalb bleibe ich noch ein wenig in der Küche, während du wieder hineingehst, um zu sehen, ob sie schon aufgewacht ist. Ich stehe immer noch am Spülbecken, als der Schuss fällt.
    In diesem Moment bleibt die Zeit stehen. Ich erinnere mich an die Stille, die darauf eintrat. Das Ticken der Küchenuhr. Das Geräusch meines eigenen Herzschlags in meinen Ohren. Ich lausche, warte verzweifelt auf den Klang deiner Schritte. Auf den Klang deiner Stimme, die mir sagt, dass es Zeit ist, sich aus dem Staub zu machen, und zwar schnell. Ich wage nicht, mich zu rühren.
    Endlich zwinge ich mich, hinauszugehen, den Flur entlang, in ihr Schlafzimmer. In der Tür bleibe ich stehen.
    Es dauert einen Augenblick, bis ich die entsetzliche Wahrheit erfasse.
    Sie hängt mit dem Oberkörper über der Bettkante und versucht verzweifelt, sich wieder auf die Matratze zu ziehen. Eine Pistole ist ihr aus der Hand gefallen. Ich gehe zum Bett, schnappe mir einen Wundhaken von dem Tablett auf dem Nachttisch und versetze ihr mit aller Kraft einen Schlag gegen die Schläfe. Sie sinkt zusammen und rührt sich nicht mehr.
    Ich drehe mich um und schaue dich an.
    Deine Augen sind offen, du liegst auf dem Rücken und starrst mich an. Eine Blutlache breitet sich unter dir aus. Deine Lippen bewegen sich, aber ich kann nichts verstehen. Deine Beine rühren sich nicht, und ich begreife, dass die Kugel dein Rückgrat verletzt hat.
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