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Die Chance seines Lebens

Die Chance seines Lebens

Titel: Die Chance seines Lebens
Autoren: Silvia Busch
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ihn auf den einzigen freien Platz im Raum. Und das war ausgerechnet neben Nico. Eigentlich sollte dieser Platz frei bleiben, denn Nico war der größte Störenfried in der Klasse. Aber der Lehrer hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, dass Nico sich vielleicht einmal änderte.
    Der stand sofort wütend auf und rief: „Kann der Clown sich nicht woanders hinsetzen? Was soll der Scheiß?“
    Der Lehrer kannte Nico und seine Äußerungen. Trotzdem musste er sich jedes Mal zusammenreißen, um ihn nicht aus der Klasse zu verweisen. Im Inneren stöhnte er, denn manchmal wäre ein Rohrstock nicht schlecht, dachte er. Trotzdem sagte er ruhig: „Nein, es gibt nur den einen freien Platz neben dir.“
    „Aber wir können mit jemand anders tauschen, zum Beispiel kann Thomas zu mir kommen, und dann ist dort ein Platz frei.“
    „Jetzt reicht es aber, wenn ich sage, Fabian setzt sich zu dir, dann setzt er sich zu dir, und hier wird nicht diskutiert!“
    Nico zeigte dem Lehrer seinen Mittelfinger. Stinksauer ließ er sich wieder auf seinen Platz fallen und schaute Fabian mürrisch an. Er gab ihm nebenbei einen Klaps auf den Kopf, um ihm zu zeigen, wer hier das Sagen hatte.
    Fabian rückte seinen Stuhl ans Ende vom Tisch, um ja nicht weiter mit ihm in Berührung zu kommen. Am liebsten würde er sich in eine ruhige Ecke verziehen.
    Der Unterricht fing an. Herr Müller hatte immer wieder Mühe, die Jugendlichen zur Räson zu rufen. Ein ruhiges und entspanntes Arbeiten war undenkbar. Als das Klingeln die Stunde beendete, war er froh, die Klasse zu verlassen. Wie so oft sagte er sich in Gedanken, dass eine Versetzung an eine andere Schule endlich angebracht wäre, denn er würde auch nicht jünger werden. Aber was täten die Kids ohne ihn? Andere gaben sich nicht so viel Mühe. Er hatte immer noch die Hoffnung, dass die Schüler einmal ihren Weg finden würden und raus aus ihrer jetzt so trostlosen Lage kämen. Das war es, was ihn an dieser Schule hielt. Nachdenklich ging er ins Lehrerzimmer.
    Im Klassenraum herrschte indessen ein totales Chaos. Die Jugendlichen redeten wild durcheinander. Nico hatte seine Gruppe wieder um sich geschart und sondierte die Lage. Er beherrschte seine Mitschüler wie ein Dirigent sein Orchester. Andere zu bevormunden, zu gängeln, zu beschimpfen oder auch die Anwendung von Gewalt – das alles war für Nico normal. Respekt lernte man durch Gewalt, denn diese Auffassung trichterten sein Vater und der große Bruder ihm stündlich ein. Konflikte wurden mit der Faust beendet. Und so handhabte er es auch, was anderes kannte Nico nicht.
    Er sah aus den Augenwinkeln wie Nils einen MP3-Player seinen Nachbarn zeigte.
    „Kommt!“, sagte er zu seinen Jungs. Er baute sich vor Nils auf. „Hey Alter, zeig mal dein Spielzeug.“
    Nils schüttelte seinen Kopf. Nico nickte Deniz zu. Dieser trat sofort hinter Nils und beugte seinen Arm nach hinten. Nils schrie schmerzerfüllt auf. Er gab ihm sofort seinen Player. „Warum nicht gleich so“, meinte Nico. Er steckte sich das Teil in die Tasche. „Als Strafe, damit du lernst, mir zu gehorchen.“ Dann ließ er Nils stehen.
    Sein Blick fiel jetzt auf Romina: Das Mädchen hatte sich in den letzten sechs Wochen verändert. Irgendwie kam ihm Romina hübscher und anziehender vor. Sexy war ein besserer Ausdruck für die Tussie. Vielleicht könnte man ja einen Versuch bei ihr starten , dachte er sich. Nico machte ein paar Schritte auf sie zu und blieb frontal vor ihr stehen. „Was gibt es Neues bei den Sinti und Roma?“
    Romina guckte ihn bloß verächtlich an. „Was soll diese Frage?“
    „Na ja, ich möchte mit dir nur ein bisschen labern.“
    „Danke, ich verzichte auf eine Unterhaltung mit dir. Du kennst noch nicht einmal den Unterschied zwischen Sinti und Roma.“ „Was soll es da für Unterschied geben, sind doch alle gleich. Klauen, betteln und leben auf unsere Kosten in Deutschland.“
    Rominas Augen funkelten vor Wut, und sie konnte sich kaum beherrschen.
    Ihre Freundin Yasmina erfasste die Situation und zog Romina zurück. „Lass ihn, reg dich nicht auf!“
    Wütend schüttelte Romina die Hand ab. „Warum soll ich nicht wütend sein? Ich lass mich nicht so verunglimpfen. Das Schlimme ist ja, nicht nur der Idiot denkt so, alle denken so über uns.“
    „Hey, reg dich mal wieder ab Alte!“, flippte jetzt Nico aus, der selber keinerlei Kritik vertrug „Du bist so eine blöde Zimtziege, regst dich über so einen Scheiß auf!“
    „Scheiß? Scheiß ist das
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