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Die Büchse der Pandora

Die Büchse der Pandora

Titel: Die Büchse der Pandora
Autoren: Agatha Christie
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abgerissen; so ein nachlässiger Bursche!«
    »Ich glaube nicht, dass er es war«, sagte Tuppence. »Aber wir können ihn ja fragen.«
    Albert wurde hereingerufen und befragt; er war sehr erstaunt und schwor, nur ein Blatt abgerissen zu haben. Seine Behauptung wurde bestätigt durch die Tatsache, dass man das von ihm abgerissene Blatt im Kamin fand, während sich die anderen ordentlich aufeinandergelegt im Papierkorb befanden.
    »Ein Verbrecher mit Sinn für Ordnung und Methode«, bemerkte Tommy. »Wer war heute Morgen hier, Albert? Irgendein Klient?«
    »Nur einer, Sir.«
    »Wie sah er aus?«
    »Es war eine Sie: eine Krankenschwester. Sie war sehr aufgeregt; wollte Sie unbedingt sprechen. Sie bestand darauf, auf Sie zu warten. Ich habe sie ins Sekretariat geführt.«
    »Von dort konnte sie ohne Weiteres hier hereinkommen, ohne dass du es merktest. Wann ist sie wieder gegangen?«
    »Vor einer halben Stunde, Sir. Sie wollte heute Nachmittag noch einmal vorsprechen. Eine nette Person, sehr mütterlich.«
    »Nett und mütterlich! Raus mit dir, Albert!«
    Albert zog sich tief gekränkt zurück.
    »Ein sonderbarer Prolog«, sagte Tommy. »Keine Botschaft, sondern nur eine Warnung, auf der Hut zu sein. Ist vielleicht eine Bombe im Kamin versteckt oder so etwas?«
    Nach einer Besichtigung des Raumes setzte er sich an den Schreibtisch und wandte sich mit folgenden Worten an Tuppence:
    » Mon ami, dies ist eine äußerst ernste Angelegenheit. Sie erinnern sich gewiss an den Mann, der Nr. 4 war. An jenen Mann, den ich in den Dolomiten zermalmte wie eine Eierschale – mithilfe von Sprengstoff, bien entendu! Aber er war nicht wirklich tot – oh, sie sind niemals wirklich tot, diese Superverbrecher! Heute taucht er wieder auf – aber größer und stärker als damals; wenn ich mich mathematisch ausdrücken darf: Er ist jetzt in die zweite Potenz aufgerückt, mit anderen Worten, er ist jetzt Nr. 16. Sie erfassen meine Gedanken, mon ami?«
    »Vollkommen«, sagte Tuppence. »Du bist der große Hercule Poirot.«
    »Sehr richtig. Kein Schnurrbart – aber kleine graue Zellen in rauen Mengen.«
    »Ich habe so das Gefühl, dass dieses Abenteuer der Nachwelt als ›der Triumph von Hastings‹ überliefert werden wird.«
    »Niemals«, erklärte Tommy. »Das ist nicht üblich. Der blöde Freund ist und bleibt der blöde Freund. In diesen Dingen gibt es eine strenge Etikette. Übrigens, mon ami, könnten Sie Ihr Haar nicht in der Mitte scheiteln anstatt rechts oder links? Diese Asymmetrie ist wirklich ein höchst beklagenswerter Anblick.«
    Die Glocke auf Tommys Schreibtisch schrillte. Tommy gab das Antwortzeichen, und gleich darauf brachte Albert eine Visitenkarte herein.
    »Prinz Vladiroffsky«, las Tommy mit leiser Stimme. Er sah Tuppence an. »Ob das – führ ihn herein, Albert!«
    Der Mann, der eintrat, war mittelgroß und sah gut aus. Er trug einen blonden Bart und war ungefähr fünfunddreißig Jahre alt.
    »Mr Blunt?«, fragte er. Sein Englisch war tadellos. »Sie sind mir wärmstens empfohlen worden. Möchten Sie einen Fall für mich übernehmen?«
    »Könnten Sie mich mit den Einzelheiten vertraut machen?«
    »Gewiss. Die Sache betrifft die Tochter eines Freundes, ein Mädchen von sechzehn Jahren. Wir möchten jeden Skandal vermeiden – Sie verstehen schon.«
    »Mein lieber Herr«, sagte Tommy, »seit sechzehn Jahren arbeiten wir erfolgreich dank der besonders strengen Beobachtung dieses Prinzips.«
    Er glaubte, ein plötzliches Aufleuchten in den Augen des Besuchers zu sehen. Aber es verschwand so schnell, wie es gekommen war.
    »Sie haben wohl auch einige Filialen jenseits des Kanals, wie?«
    »O ja! Ich selbst war erst im vorigen Monat am 13. in Berlin.«
    Tommy hatte den Satz langsam und deutlich ausgesprochen.
    »In diesem Fall«, sagte der Fremde, »ist es kaum mehr notwendig, die Fiktion noch länger aufrechtzuerhalten; wir können auf die Tochter meines Freundes gern verzichten. Sie wissen, wer ich bin. Jedenfalls sehe ich, dass Sie von meiner Ankunft benachrichtigt wurden.« Er wies mit dem Kopf auf den Kalender an der Wand.
    »Gewiss«, sagte Tommy.
    »Meine Freunde – ich bin gekommen, um Nachforschungen anzustellen. Was ist geschehen?«
    »Verrat«, sagte Tuppence, unfähig, noch länger stillzuhalten. Der Russe wandte ihr seine ganze Aufmerksamkeit zu und hob die Augenbrauen.
    »So, so – hab ich es mir doch gedacht. War es Sergius?«
    »Wir nehmen es an«, sagte sie, ohne zu erröten.
    »Es würde mich nicht
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