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Die Büchse der Pandora

Die Büchse der Pandora

Titel: Die Büchse der Pandora
Autoren: Agatha Christie
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Tommy entrüstet. »Übrigens machst du selbst Gymnastik für die Figur.«
    »Das macht heutzutage jede moderne Frau«, sagte Tuppence. »Wenn ich sagte, du wirst fett, so war das eher bildlich gemeint: Du blühst und gedeihst, wirst nüchtern und bequem.«
    »Ich weiß wirklich nicht, was über dich gekommen ist!«
    »Der Geist des Abenteuers«, murmelte sie. »Immerhin noch besser als ein unzähmbares Verlangen nach einer Liebesgeschichte. Aber auch das habe ich ab und zu. Ich träume davon, einem Mann zu begegnen, einem wirklich gutaussehenden Mann…«
    »Du bist mir begegnet«, meinte Tommy. »Genügt dir das nicht?«
    »Ein schlanker Mann, groß und stark, der fest im Sattel sitzt und wilde Pferde mit dem Lasso fängt…«
    »Dazu Lederhosen und einen Cowboyhut«, warf Tommy sarkastisch ein.
    »… und in der Wildnis gelebt hat«, fuhr sie fort. »Er müsste sich heftig in mich verlieben. Ich würde ihn natürlich tugendhaft abweisen und meinem Ehegelübde treu bleiben, aber heimlich würde mein Herz für ihn entflammen.«
    »Ja«, meinte Tommy, »ich wünsche mir oft, einem wirklich schönen Mädchen zu begegnen. Einem mit goldenem Haar, das sich rettungslos in mich verliebt. Nur würde ich sie wahrscheinlich nicht abweisen – nein, sicher nicht.«
    »Das zeigt deinen schlechten Charakter.«
    »Was ist wirklich los mit dir, Tuppence?«, fragte Tommy, nun ernstlich beunruhigt. »Du hast noch nie solche Reden geführt.«
    »Nein«, erwiderte seine Frau, »aber in mir gärt es schon seit Langem. Versteh mich doch – es ist gefährlich, alles zu haben, was man sich wünscht, und auch Geld genug, um zu kaufen, was man will. Freilich, es gibt immer Hüte…«
    »Du hast schon mindestens vierzig Hüte«, sagte Tommy, »und sie sehen alle gleich aus.«
    »So sind Hüte eben. Sie sind nicht wirklich gleich. Es gibt Nuancen. Ich habe heute Morgen einen hübschen in der Auslage bei Violette gesehen.«
    »Wenn du nichts Besseres zu tun hast, als Hüte zu kaufen, solltest du…«
    »Das ist es ja gerade. Genau das: Wenn ich etwas Besseres zu tun hätte. Ich sollte mich vielleicht Wohltätigkeitsaufgaben widmen. Ach, Tommy, wenn nur etwas Aufregendes passieren würde! Ich glaube wirklich, das wäre gut für uns. Könnte nicht eine gute Fee erscheinen…«
    »Nanu«, rief Tommy, »merkwürdig, dass du das sagst!«
    Er stand auf und durchquerte das Zimmer. Aus einem Schreibtischfach holte er eine kleine Fotografie hervor und brachte sie Tuppence.
    »Oh, du hast sie also entwickeln lassen. Welche Aufnahme ist das, deine oder meine?«
    »Meine. Deine ist nichts geworden. Unterbelichtet. Wie immer.«
    »Wie schön für dich«, meinte Tuppence, »zu wissen, dass es etwas gibt, was du besser kannst als ich.«
    »Blödsinn«, sagte Tommy. »Aber lassen wir das im Augenblick. Was ich dir zeigen wollte, ist dies hier.« Er wies auf einen kleinen weißen Fleck auf dem Bild.
    »Das ist ein Kratzer im Film.«
    »Ganz und gar nicht«, erwiderte Tommy. »Das ist eine Fee!«
    »Tommy, du Idiot!«
    »Schau doch genauer hin!«
    Er reichte ihr ein Vergrößerungsglas. Tuppence studierte den Abzug aufmerksam durch die Lupe. Mit ein bisschen Fantasie konnte man tatsächlich den Kratzer im Film für ein beschwingtes kleines Wesen halten, das oben auf dem Kaminsims saß.
    »Es hat Flügel!«, rief sie vergnügt. »Köstlich, eine wirkliche, regelrechte Fee in unserer Wohnung! Sollen wir Conan Doyle darüber berichten? O Tommy, glaubst du, sie wird uns einen Wunsch erfüllen?«
    »Du wirst bald Antwort bekommen. Du wünschst dir ja seit Stunden, dass etwas geschieht!«
    In diesem Augenblick öffnete sich die Tür. Ein schlaksiger Junge von fünfzehn Jahren, der nicht recht zu wissen schien, ob er sich als einfacher Diener oder als hochherrschaftlicher Page gebärden sollte, erkundigte sich in hochtrabendem Ton.
    »Sind Madam zuhause? Jemand läutet unten am Tor.«
    »Wenn Albert bloß nicht so oft ins Kino ginge!«, seufzte Tuppence, nachdem sich der Junge zurückgezogen hatte, um den Gast einzulassen. »Jetzt spielt er den vornehmen Diener im hochherrschaftlichen Haus. Zum Glück habe ich ihm wenigstens abgewöhnt, Visitenkarten zu verlangen und sie mir auf dem silbernen Tablett hereinzubringen.«
    Wieder ging die Tür auf, und Albert verkündete: »Mr Carter« in einem Ton, als sage er: »Seine Königliche Hoheit.«
    »Der Chef«, murmelte Tommy erstaunt.
    Mit einem freudigen Ausruf sprang Tuppence auf und begrüßte einen großen,
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