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Die Buecherfluesterin

Die Buecherfluesterin

Titel: Die Buecherfluesterin
Autoren: Anjali Banerjee
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hervorspringen. » Komm, wir trinken Tee.«
    » Ich muss meine Nachrichten abfragen.« Es juckt mir in den Fingern, auf meinem BlackBerry herumzutippen und mein Netbook hochzufahren.
    » Dafür ist später noch genug Zeit.« Sie geht vor mir den Flur entlang und biegt plötzlich scharf nach links ins Zimmer mit den Kinderbüchern ab. Natürlich hat sie immer genug Zeit. Schließlich lebt sie im Zeitlupentempo und am äußersten Rand der Zivilisation.
    » Die Börsen haben für heute geschlossen, und ich muss mich über die Preise informieren.«
    » Wenn sie geschlossen sind, sind sie geschlossen, und das bleiben sie auch die ganze Nacht, oder?«
    » Schon, aber…«
    » Erinnerst du dich an dieses Zimmer, Bippy?« Auf dem Teppich liegen Spielsachen herum. Auf einem niedrigen Schreibtisch in der Ecke stapeln sich Bücher.
    » Vage.« Ich trete von einem Fuß auf den anderen. Meine Pumps zerquetschen mir die Zehen.
    » Der Schreibtisch hat E. B. White gehört. Daran hat er all seine Bücher geschrieben. Sogar Charlotte’s Web. Natürlich nicht in diesem Haus, aber an diesem Schreibtisch.«
    » Wie interessant.« Als Nächstes wird sie behaupten, dass der verzierte Kerzenleuchter aus dem Besitz von Jane Austen stammt.
    Ein Mädchen mit Pferdeschwanz hat sich im Schneidersitz auf dem Boden niedergelassen und liest Peter Rabbit. Sie schaut kurz auf und beugt sich dann wieder über ihr Buch. Hinter ihr an der Wand hängen Aquarelle– Pu der Bär, Die Raupe Nimmersatt, Madeline. Es wundert mich, dass ich die Namen dieser Figuren noch weiß.
    » Erinnerst du dich auch daran?« Die Tante drückt mir ein abgegriffenes Exemplar von The Cat in the Hat in die Hand.
    » Alle kennen Dr. Seuss.« Ich gebe ihr das Buch zurück.
    » Erinnerst du dich sonst noch an etwas?«
    » An was denn?« Ich klopfe auf mein Mobiltelefon. » Wenn ich nicht bald Empfang habe, könnte ich einen Kunden verlieren.« Ich brauche die Stelle. Meine Zukunft bei Taylor Investments hängt an einem seidenen Faden.
    » Deine Kunden können warten. Wenn sie dich wirklich lieben, werden sie dich nicht fallenlassen.«
    Oh, doch, das werden sie. Wie eine heiße Kartoffel. » Wir haben bereits drei Büros an der Westküste geschlossen. Deshalb muss ich mich beweisen. Hier geht es nur um Geld, nicht um die Liebe.«
    » Es geht immer um die Liebe«, entgegnet meine Tante und zwinkert wieder mit den Augen.
    Ich hole tief Luft. Soll sie doch glauben, was sie will, sie kann es sich erlauben. » Was kommt jetzt?«
    » Das Antiquariat.« Sie bringt mich in ein stickiges, mit hohen Bücherregalen vollgestelltes Zimmer. » Schau, der Spiegel da hat Dickens gehört.«
    Ich werfe einen flüchtigen Blick auf mein Gesicht in einem reich verzierten rechteckigen Spiegel. Sehe ich wirklich so erschöpft und verschwollen aus? » Toller Spiegel. Ist bestimmt ein Vermögen wert, wenn er wirklich Dickens gehört hat.« Was ich bezweifle.
    » Ein typischer Spiegel, wie man ihn im frühen viktorianischen Zeitalter über dem Kamin hängen hatte. Schätzungsweise aus den dreißiger Jahren des neunzehnten Jahrhunderts.«
    Im Gang räuspert sich ein Mann. Sein Gesicht ist in der Dunkelheit nicht zu erkennen.
    » Entschuldigen Sie die Störung«, sagt meine Tante und fügt im Flüsterton hinzu: » Wenn er Ruhe will, sollte er in eine Bibliothek gehen.«
    Der Mann ist hoch gewachsen und breitschultrig. Im ersten Moment bin ich sicher, dass es sich um Connor Hunt handelt, doch als er ins Licht tritt, bemerke ich meinen Irrtum. Es ist ein gepflegter Mann, der einen grauen Anzug trägt.
    Meine Tante geht voraus in ein kleines, überfülltes Büro, wo sich Aktenstöße auf dem Schreibtisch türmen. Jede Fläche ist mit gelben Post-it-Zetteln beklebt. » Irgendwann muss ich hier aufräumen. Aber ich komme einfach nicht dazu.«
    Ich bin es nicht gewöhnt, in einem solchen Chaos zu arbeiten. Mein Leben ist organisiert und in Schubladen und Kategorien unterteilt. » Ich könnte für dich saubermachen und diesen ganzen Kram ausmisten«, schlage ich vor, indem ich mit meinen Händen eine Geste des Wegwischens andeute. Auf dem Schreibtisch mischt sich nutzloser Krimskrams, den meine Tante im Laufe der Jahre angehäuft hat, mit den Akten und einer lackierten kanuförmigen Ablage für Stifte voller Pinsel und Füllhalter. Außerdem gibt es noch eine Holzschachtel für Büroklammern, einen flachen grauen Stein, eine Glasflasche mit blauer Tinte und einen antiken weißen Federhalter.
    » Wie könnte ich
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