Die Brut des Bösen - Graham, P: Brut des Bösen - L'Apocalypse selon Marie
besiegt, und die Letzten, die es befallen hatte, wurden unmittelbar mit Injektionen behandelt.
Im Frühjahr hatte Maria Cayleys Bauernhof aufgesucht.
Dort war alles in peinlicher Ordnung, aber niemand war zu sehen. Auf dem Tisch standen zwei Flaschen Gin, und auf einen Zettel hatte der Alte gekrakelt:
Liebe Maria,
heute Nacht habe ich von Martha geträumt. Sie war sehr alt und sehr schön. Sie hat mir zugelächelt. Ich werde zu ihr gehen. Ich hinterlasse Dir mein Haus mitsamt Vorhängeschloss und Kette. Du kannst es vermieten, wenn Du möchtest, aber auf keinen Fall an Zeugen Jehovas, sonst komme ich und knabber Dir im Schlaf die Zehen ab. Der ganze Milwaukee Drive gehört jetzt Dir. Mir ist klar, dass Du Dich da einsam fühlen wirst, aber ich muss zu Martha zurückkehren. Pass gut auf das Schätzchen auf. Dein Cayley
PS: Der alte Schweinehund Ross MacDougall ist am Ende des Sommers gestorben. Weil jetzt, wo ich gehe, niemand mehr auf sein Grab pinkeln kann, könntest Du nicht von Zeit zu Zeit ein verrostetes altes Vorhängeschloss darauflegen? Er versteht dann schon, was gemeint ist.
Maria hatte zwei Tränen in ihren Augenwinkeln zerdrückt, dann den Inhalt der beiden Ginflaschen in den Ausguss geschüttet und war in ihr Haus zurückgekehrt. Holly erwartete sie im Mantel auf der Veranda. Sie war sehr bleich. Neben der Hollywood-Schaukel, auf der sie saß, stand eine gepackte Reisetasche. Auf Marias Frage, was sie habe, hatte Holly geflüstert: »Das Haus will nicht, dass ich hierbleibe. Es hat mir gesagt, dass ich entsetzliche Albträume bekommen, wenn ich es doch tue.«
Maria hatte nichts darauf geantwortet. Nachdem sie einige Koffer auf die Ladefläche des Pick-ups gewuchtet hatte, hatte sie die Tür ihres Hauses endgültig abgeschlossen und war nach Boston gefahren, wo sie in der Altstadt eine hübsche Wohnung bezogen hatten. Einige Wochen später hatte man ihr die Begnadigung durch den Präsidenten mitsamt einer Handvoll Medaillen überreicht, die sie Holly für ihre Puppen schenkte. Sie hatte Holly mit behördlichem Segen adoptiert und war an ihren Arbeitsplatz bei der Bundespolizei zurückgekehrt, wo man sie auf ihre Bitte hin an einen weniger exponierten Posten versetzt hatte. Crossman und sie hatten Daddy nie wieder erwähnt. Es war besser so. Dann war alles nach und nach wieder ins gewohnte Gleis gekommen. Maria hatte Holly in einer Privatschule angemeldet. Am Wochenende machten sie gemeinsam Besorgungen und stritten sich darüber, wohin sie im Urlaub fahren würden. Holly schien sich wohlzufühlen. Allerdings kam es vor, dass Maria an manchen Abenden, vom Schluchzen des Mädchens angelockt, zu ihr ins Zimmer ging und sich unter den Laken eng an sie drängte. Sie war dann immer glühend heiß, beruhigte sich aber allmählich.
Gerade als Maria mit einem Fuß nach dem Mischhebel tastet, um mehr heißes Wasser in die Wanne laufen zu lassen, klingelt das Telefon. Sie seufzt unter dem feuchten Tuch auf ihrem Gesicht. Das Klingeln hört einige Sekunden lang auf und setzt dann erneut ein. Sie nimmt ab.
»Ms. Parks, hier Ms. Holden, Hollys Klassenlehrerin.«
»Was gibt es?«
»Keine Sorge, es geht Holly gut. Ich meine, körperlich.«
»Ich verstehe nicht.«
»Ich denke, dass es das Beste wäre, wenn Sie sofort kämen. Wir müssen miteinander reden.«
»Ich komme gleich.«
Sie trocknet sich in aller Eile ab, zieht rasch Jeans und Pullover an und eilt hinaus, nicht ohne ihre Dienstmarke und ihre Waffe mitzunehmen, in der Hoffnung, bei dem alten Drachen damit Eindruck machen zu können. Sie steigt in ihren Pick-up und fährt durch die Straßen Bostons. Sie muss an den Preis denken, den sie zu bezahlen hat. Schon seit Monaten rechnet sie damit. Seit Monaten zittert sie um Holly. Sie parkt vor der Schule und läuft über den Rasen zum Unterrichtsgebäude hinüber. Holly sitzt auf dem Gang, man hat sie hinausgeschickt. Wie alle Mädchen in dieser Situation hält sie den Kopf gesenkt und lässt die Füße baumeln. Maria tritt zu ihr und küsst sie auf die Stirn. Flüsternd fragt sie: »Was hast du wieder angestellt?«
»Ich kann nichts dazu.«
Gerade als Maria sie in die Arme nehmen und sich wie eine Diebin davonschleichen will, öffnet sich die Tür zum Klassenzimmer. Ms. Holden füllt fast den ganzen Türrahmen aus. Maria fährt zusammen, als der Drachen sie auffordert einzutreten. Die Lehrerin schließt die Tür hinter sich und weist auf Hollys Platz in der dritten Reihe. Als sich Maria
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