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Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)

Titel: Die Bruderschaft der Nacht: Thriller (German Edition)
Autoren: John Connolly
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aufnehmen, und als sie pinkeln wollte, wurde sie einfach weitergezogen, worauf sie kläglich kläffte. An einer in der Nähe stehenden Birke hing ein Hornissennest, in dem jetzt Ruhe herrschte, das aber tagsüber von angriffslustig summenden Insekten umschwärmt wurde. Die Hündin war vor ein paar Tagen gestochen worden, als sie den Saft untersuchen wollte, den der Baum an der Stelle absonderte, wo ein Gelbbauch-Saftlecker die Borke abgeschält hatte, um sich daran gütlich zu tun. Dabei hatte er eine süß sickernde Quelle für diverse Insekten, Vögel und Eichhörnchen hinterlassen. Sie erinnerte sich an den Schmerz, als sie sich der Birke näherten, fing an zu winseln und wollte einen großen Bogen machen, er tätschelte sie aber, um sie zu beruhigen, und zog sie behutsam vom Ort ihres Missgeschicks weg.
    Als Junge war Damien von Bienen, Wespen und Hornissen fasziniert gewesen. Dieses Volk war im Frühling entstanden, als die Königin aus dem monatelangen Winterschlaf nach der Paarung im vorigen Herbst aufgewacht war, Holzfasern mit Speichel vermischte und aus dem so entstandenen Papierbrei die Kappe herstellte, an die sie nach und nach sechseckige Zellen für ihre Brut fügte – zuerst für die aus befruchteten Eiern stammenden Weibchen, dann für die Männchen aus ihren unbefruchteten Eiern. Er hatte jedes Entwicklungsstadium verfolgt, so wie er es einst als Junge getan hatte. Dass hier die Frauen herrschten hatte er schon immer am interessantesten gefunden, denn er stammte aus einer altmodischen Familie, wo die Männer die Entscheidungen trafen, jedenfalls hatte er das stets angenommen, bis er mit zunehmendem Alter erkannt hatte, auf welch unglaublich raffinierte Art und Weise seine Mutter, seine Großmütter und diverse Tanten und Cousinen die Männer je nach Belieben manipulierten. Hier, in diesem grauen Nest, konnte die Königin ihre Herrschaft offener zeigen, für Nachwuchs sorgen, sich um die Verteidigung des Volkes kümmern, füttern und sich füttern lassen, ja sogar die Jungtiere wärmen, indem sie ihren Körper ins Zittern versetzte, wodurch warme Luft entstand und sich in einer glockenförmigen Kammer hielt, die sie selbst hergestellt hatte.
    Er starrte zu dem Nest zurück, das zwischen dem Laub kaum zu sehen war, als wollte er es nur ungern verlassen. Mit seinen scharfen Augen bemerkte er Spinnweben, Ameisennester und eine grüne Raupe, die an einem Blutwurz emporkrabbelte, und jedes Lebewesen ließ ihn innehalten, als wollte er sich seinen Anblick einprägen.
    Sie konnten das Meer riechen, als Damien stehen blieb. Hätte ihn jemand gesehen, so hätte er bemerkt, dass er weinte. Sein Gesicht war verzerrt, und seine Schultern zuckten, so heftig schluchzte er. Er blickte nach links und rechts, als erwartete er etwas zu sehen, das sich zwischen den Bäumen bewegte, aber er hörte nichts als den Gesang der Vögel und das Rauschen der anbrandenden Brecher.
    Die Hündin hieß Sandy. Sie war ein Mischling, ähnelte aber am ehesten einem Retriever. Sie war jetzt zehn Jahre alt, gehörte Damien und seinem Vater und liebte sie beide trotz der langen Abwesenheit des Sohnes gleichermaßen, genau wie sie von ihnen geliebt wurde. Sie verstand das Verhalten ihres Herrchens nicht, denn normalerweise war er ihr gegenüber nachsichtiger als sein Vater. Sie wedelte unsicher mit dem Schwanz, als er neben ihr in die Hocke ging und die Leine um den Stamm eines jungen Baumes schlang. Dann stand er auf und holte einen Revolver aus seiner Jackentasche: Es war ein 38er Special, ein Smith & Wesson Model 10. Er hatte ihn bei einem Händler gekauft, der behauptete, er stamme von einem Vietnamveteranen, der eine Pechsträhne hatte, aber Damien hatte hinterher herausgefunden, dass er ihn verkauft hatte, um seine Kokainsucht zu finanzieren, die ihn schließlich das Leben gekostet hatte.
    Damien legte die Hände an die Ohren, die Waffe in seiner Rechten jetzt zum Himmel gerichtet. Er schüttelte den Kopf und kniff die Augen zu. »Bitte, bitte hört auf«, sagte er. »Ich flehe euch an. Bitte.«
    Seine Mundwinkel zogen sich nach unten, und seine Nase lief, als er die Hände vom Kopf nahm und die Waffe zitternd auf die Hündin richtete, die nur wenige Zentimeter vor der Mündung stand. Sie beugte sich vor und schnupperte daran. Sie war den Geruch von Öl und Pulver gewöhnt, denn Damien und sein Vater hatten sie oft mitgenommen, wenn sie Vögel jagen gingen und sie ihnen die Beute apportierte. Erwartungsvoll wedelte sie mit dem
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