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Die Braut sagt leider nein

Titel: Die Braut sagt leider nein
Autoren: Kerstin Gier
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schwesterlich.
    Das versprach ich. Wir plauderten entspannt, während die Kinder vergnügt quietschend auf dem Trampolin herumkullerten. Die perfekte Harmonie. Schließlich sah ich auf die Uhr. Noch fünfzehn Minuten. Widerwillig besann ich mich auf meine pädagogischen Aufgaben.
    »Wir singen jetzt noch ein bisschen zusammen mit den Kindern«, sagte ich brutal.
    Die Mütter taten so, als hätten sie mich nicht gehört und klammerten sich an ihren Kaffeetassen fest. Sie mochten die Singerei nicht besonders. Aber dies war ein Eltern-Kind-Kontaktkreis, und das pädagogische Konzept des Hauses schrieb Sing- und Kreisspiele zwingend vor. Ich beschloss, mit gutem Beispiel voranzugehen, und bildete einen Kreis für mich ganz allein.
    »Eins, zwei, drei im Sauseschritt«, sang ich dazu mit glockenheller Stimme, »gehen alle Kinder mit.«
    Die Kinder unterbrachen ihr Trampolingehopse und eilten herbei. Sie mochten das Spiel. Da erbarmten sich auch die Mütter und stellten ihre Kaffeetassen zur Seite. Nur Sabine blieb sitzen.
    »Kein Eheleben mehr«, murmelte sie. »Wenn du wüss-test, was das bedeutet.«
     
    Ich nahm immer den gleichen Weg nach Hause. Er war objektiv etwas über zwölf Kilometer länger und hatte mehr Ampeln aufzuweisen, aber in jahrelanger Tüftelei hatte ich die Strecke ausgesucht, die nur Vorteile und - außer der längeren Fahrzeit - keinerlei Nachteile aufzuweisen hatte. Man musste nicht ein einziges Mal an einer unbeampelten großen Kreuzung links abbiegen, man kam auch nicht in die Verlegenheit, sich im Feierabendverkehr verzweifelt blinkend zwischen großen LKWs einzuordnen, immer auf die Gnade der anderen Autofahrer angewiesen. Es lag ein großer Supermarkt auf der rechten Fahrbahnseite, auf dessen weitläufigem Parkplatz immer eine Lücke frei war, in die man vorwärts einparken konnte. Hier waren auch die Einkaufswagen noch nicht aneinander gekettet, sodass man nicht verzweifelt nach einem Markstück suchen musste, das sich wieder mal garantiert in der falschen Manteltasche befand. Die Strecke führte weiter durch ruhige, breite Nebenstraßen, vorbei am Nordfriedhof und dem Schild: »ACHTUNG! TRAUERGEMEINDEN KREUZEN DIE FAHRBAHN«, und vorbei an einer Großgärtnerei, die kleine Buchsbäume für sage und schreibe drei Mark achtundneunzig anbot, von denen ich immer welche kaufte, wenn ich gerade drei Mark achtundneunzig entbehren konnte, um sie in Terrakottatöpfen auf unsererTerrasse zu Kugeln und Kegeln zu züchten, und schließlich vorbei an meiner alten Wohnung. Ich warf jedes Mal einen wehmütigen Blick hinauf zu den abscheulichen Kaffeehausgardinen, die mein ehemaliges Küchenfenster verunzierten, und rechnete nach, wie lange ich dort schon nicht mehr wohnte.
    Heute waren es genau vierundvierzig Tage.
    Seit vierundvierzig Tagen wohnte ich jetzt bei Alex. Vorher hatten wir fast drei Jahre lang neunzehn Kilometer voneinander entfernt in zwei verschiedenen Wohnungen gelebt.
    Aber Alex und ich waren dazu bestimmt, das ganze Leben miteinander zu verbringen. Alex war Architekt und träumte davon, in seinem eigenen, selbst entworfenen und wenn möglich preisgekrönten Haus zu wohnen. Wie es die Fügung des Schicksals wollte, hatte ich ein riesiges Baugrundstück geerbt, etwas abgelegen zwar, in einem kleinen Dorf auf dem Land, in dem es außer einer Straßenlaterne und einem Briefkasten keinerlei Infrastruktur gab, dafür aber eine bezaubernde Fernsicht und eine Schafweide nebenan. Als Alex von meinem Grundstück erfahren hatte, war er mehrere Stunden lang zu keinem anderen Satz als »Ich fass' es einfach nicht, zweitausend Quadratmeter, ich fass' es einfach nicht!« fähig gewesen. Viel später, nach dem großen Knall, sagte Hanna dann, er habe sich nur dieses Grundstücks wegen in mich verliebt, nicht mal aus Berechnung, sondern auf die gleiche Art und Weise, nach der sich zwanzigjährige Models in scheintote Millionäre verliebten - sie glaubten selber an die große Liebe für einen faltigen alten Sack.
    Ich fand diesen Vergleich unverschämt, Alex war kein zwanzigjähriges Model und ich kein faltiger alter Sack.
     
    Ich glaubte, dass wir vom Schicksal zusammengeführt worden waren, ich als Grundstücksbesitzerin und Alex als Architekt.
    Er und ich wollten zusammen alt werden. In einem Traumhaus auf zweitausend Quadratmeter Grund mit Fernsicht. Weil Bauen nun mal eine kostspielige Angelegenheit ist, entschieden wir uns, zusammen in Alex' kleine und bedeutend billigere Wohnung zu ziehen. Neben
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