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Die Braut des Wuestenprinzen

Die Braut des Wuestenprinzen

Titel: Die Braut des Wuestenprinzen
Autoren: Alexandra Sellers
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Löwen-Milch-Berg“, hatte er zitiert, als sie das Gebirge zum ersten Mal gesehen hatte. Shir an-ı¯ma¯ hast, o ma¯ an-ı¯ shı¯r …
    Energisch verdrängte Elenor die Erinnerung an die allzu bekannte Stimme und wandte sich ihrer Sitznachbarin zu, die gerade fragte: „Holt Ihr Verlobter Sie vom Flughafen ab?“
    „Ja, sicherlich.“ Natürlich würde Gabriel sie abholen. Er war ein englischer Gentleman, wie er im Buche stand. Außerdem würden seine Beziehungen die Einreiseformalitäten erleichtern. Was den Umgang mit Ausländern betraf, so verhielten sich die kaljukischen Behörden noch immer ein wenig übervorsichtig. Während der Sowjetherrschaft waren kaum Fremde ins Land gekommen. Nach deren Zusammenbruch verlief die Einreise einige Jahre recht unkompliziert. Doch dann führte der Krieg gegen Parvan zum erneuten Abriegeln der Grenzen für Reisende. Außerdem war Kaljukistan nun offiziell ein islamischer Staat und sie eine allein reisende Frau. Gabriel würde sie in jedem Fall abholen.
    „Übrigens musste man auf den Ausblick, den Sie gerade genießen, bis vor Kurzem weitgehend verzichten“, erklärte der Pilot, als in der Ferne die Türme von Shahr-i Bozorg auftauchten.
    Erst als ihre Augen vom grellen Gegenlicht zu schmerzen begannen, wandte Elenor den Blick ab. Parvan.
    „Inzwischen können Verkehrsflugzeuge die Große Zentralwüste wieder überqueren. Aber während des Kriegs zwischen Kaljukistan und Parvan galt das Überfliegen der Wüste als sehr gefährlich. Die Grenze zwischen den Ländern verläuft in dieser Wüste, und nur die Ansässigen kennen ihren genauen Verlauf. Wer sich während des Kriegs hier im Luftraum aufgehalten hat, lief Gefahr, abgeschossen zu werden. Durch den jüngst erlangten Frieden zwischen den beiden Ländern verkürzt sich Ihre Flugzeit um zwei Stunden. In etwa einer halben Stunde werden wir in Shahriallah, der erst kürzlich umbenannten Hauptstadt Kaljukistans landen.“
    Elenor blinzelte. Shahriallah . Ach ja, richtig. Sie hatte erwartet, dass er stattdessen Shahr-i Bozorg sagen würde.
    Gerade so, als hätte es die vergangenen Jahre nicht gegeben. Oder als wäre ihr Leben in eine andere Spur geraten und sie gerade auf dem Flug nach Hause.
    Nein, nicht nach Hause. Ihre Züge verhärteten sich. Was immer er gesagt hatte, Parvan war viel für sie gewesen, aber niemals ein Zuhause. Missmutig griff sie nach ihrer Tasche und stellte sie sich auf den Schoß.
    „Haben Sie etwas verloren?“, hörte sie eine Stewardess mit sanfter Stimme fragen und drehte sich zu ihr um. Die Flugbegleiterin hielt ihr ein Stück Papier entgegen. Es war in den Gang gefallen, als Elenor ihr Handgepäck an sich genommen hatte.
    Zwar kam ihr der Zettel nicht bekannt vor, aber die letzten Tage vor ihrer Abreise waren sehr hektisch gewesen. Möglich, dass sie ihn eingesteckt hatte, ohne weiter darüber nachzudenken. Also nahm sie ihn entgegen und bedankte sich.
    Doch kaum, dass sie das Papier berührte, fühlte sie sich sonderbar bedroht. Von einem plötzlichen Widerwillen gegen das Stück Papier erfüllt, wollte sie seine Annahme nun lieber verweigern. Aber die Stewardess hatte ihn bereits losgelassen und kümmerte sich um einen anderen Fluggast.
    Also faltete Elenor den Zettel auseinander.
    Kehr nach Hause zurück.
    Elenor rang nach Luft und sah sich beunruhigt um. War diese Botschaft für sie bestimmt? Von wem konnte sie stammen? Sie versuchte, sich ins Gedächtnis zu rufen, wer während des Flugs an ihrem Platz vorbeigekommen war, erinnerte sich jedoch an nichts Ungewöhnliches. Nur an die Stewardessen mit dem Kaffee und den exotischen Snacks.
    Die Kaljukin auf dem Platz neben ihr hatte offensichtlich nichts bemerkt. „Das hier muss Ihnen gehören“, sagte Elenor zu ihr und hielt ihr den Zettel hin.
    „Nein“, verkündete die Frau, nachdem sie einen Blick auf das Papier geworfen hatte. „Ich kann es nicht lesen.“
    Selbst gebildete Kaljuken konnten die arabische Schrift nicht lesen. Nach Jahrzehnten der Sowjetherrschaft wurde sie bei der Errichtung des islamischen Gottesstaats wieder eingeführt. Das machte fast die gesamte Bevölkerung Kaljukistans von einem Tag auf den anderen zu Analphabeten. Nur die Mullahs waren noch in der Lage zu lesen.
    Parvan dagegen hatte nie unter sowjetischer Herrschaft gestanden. Dort hatte man nie die Demokratie oder den Islam aufgegeben. Auch dieser Umstand führte zu Spannungen, die letztlich den Krieg zwischen den beiden Ländern auslösten. Nach der
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