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Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden
Autoren: CLAIRE THORNTON
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Blick und bewegte dabei gedankenverloren seine linke Hand, die, mit der er Tredgold den Hieb versetzt hatte. Abgesehen von dieser kleinen Bewegung, schien der kurze, gewalttätige Zwischenfall bei ihm keine Spuren hinterlassen zu haben.
    Temperances Gedanken und Gefühle waren vollkommen durcheinander. Sie sollte die Taverne möglichst würdevoll verlassen, dennoch starrte sie den Musikanten weiterhin an. Zum ersten Mal sah sie ihn aufrecht stehen. Er war ein Stück größer als sie selbst. Es geschah so selten, dass sie aufblicken musste, um einem Mann in die Augen zu sehen, dass sie nicht damit aufhören konnte. Er wirkte schlank und sehnig, die breiten Schultern hingegen verrieten seine Kraft. Selbst in Hemd und Hose, mit unfrisiertem Haar und unrasiertem Kinn, war er der bestaussehende Mann, der ihr je vor die Augen gekommen war.
    Er lächelte. „Was schuldet er Euch?“, fragte er und deutete mit einer Kopfbewegung auf Tredgold.
    „Die Bezahlung für das Leinen und den Musselin“, erwiderte Temperance und versuchte, sich zu konzentrieren. Obwohl sie noch halb benommen war von dem Schrecken, sollte der Musikant verstehen, dass sie eine respektable Händlerin war. „Er hat sie verdorben.“
    „Wie viel?“ Der Musikant suchte nach Tredgolds Börse und fand sie schließlich.
    „He!“, rief Tredgolds Freund aus.
    „Wie viel?“ Der Musikant sah Temperance an, ohne auf den halbherzigen Protest zu achten.
    Sie sagte es ihm und sah zu, wie er die Münzen vor den Augen von Tredgolds Freund abzählte.
    „Da“, sagte er zu dem jungen Mann, der ihn mit offenem Mund anstarrte. „Wenn er zu sich kommt, könnt Ihr ihm erzählen, wie seine Schulden ehrlich beglichen wurden.“ Tredgold stöhnte bereits und bewegte sich. Der Musikant ließ die Börse auf dessen Bauch fallen und reichte Temperance das Geld.
    „Danke.“ Sie betrachtete die Münzen und konnte kaum glauben, dass sie tatsächlich noch bezahlt worden war.
    „Und jetzt werde ich Euch nach Hause begleiten“, sagte der Musikant.
    „Mich begleiten?“ Temperance sah auf. „Oh, nein, Sir, es ist nicht nötig …“
    „Seid Ihr nicht allein hier? Solltet Ihr einen Begleiter haben, so hat er Euch sehr schlecht beschützt“, sagte der Musikant.
    „Mein Lehrjunge ist krank“, sagte Temperance und richtete sich auf, während sie sich um Würde bemühte. „Ich werde einen Botenjungen bitten …“
    „Ich werde Euch nach Hause begleiten.“ Beim Sprechen ging der Musikant zurück in den Schankraum. Die Männer machten ihm Platz.
    Temperance blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen. Allerdings konnte sie nicht verhindern, dass es sie ärgerte, wie er die Menschenmenge teilte, wie Moses einst das Rote Meer geteilt hatte. Schließlich war er …
    „Nur ein Mann, der keinen Kamm besitzt“, murmelte sie. Und wäre beinahe gegen ihn geprallt, als er plötzlich stehen blieb.
    Er lächelte sie über die Schulter hinweg an. „Aber ich besitze eine nützliche Linke“, sagte er. „Und mit dem Degen bin ich noch besser. Ich bezweifle, dass ein Kamm nützlich gegen Räuber wäre.“
    Temperance öffnete den Mund und schloss ihn dann wieder. Wie sehr sie sich auch danach sehnte, ihn zurechtzuweisen, so durfte sie nicht vergessen, dass er sie vor Tredgolds Angriff beschützt und dafür gesorgt hatte, dass ihre verdorbenen Waren bezahlt wurden. Schließlich stand sie in seiner Schuld.
    Sie sah zu, wie er den Waffengurt anlegte in einer Weise, die zeigte, dass er den Umgang mit dem Degen in der Tat gewohnt war.
    „Seid Ihr Soldat?“, fragte sie.
    „Soldat?“ Er zog die Brauen hoch. „Nein. Die einzige Sache, für die ich jemals gekämpft habe, ist meine eigene.“
    In der Menge lachte jemand. „Jack Bow ist ein Glücksritter, Mädchen. Er kämpft mit dem Degen und der Laute. Er könnte eine Menge Geschichten erzählen von den fernen Ländern, die er gesehen hat.“
    „Oh.“ Temperance betrachtete die Hände des Musikers, während sie über diese beunruhigende Neuigkeit nachdachte. Ob er ein Söldner war? Als es Zeugen gab, die seine Taten bewundern konnten, hatte er sie vor Tredgold gerettet. Aber war es klug, mit so einem Mann in den dunklen Straßen der Stadt allein zu sein?
    „Ich fürchte, in Cheapside gibt es keine interessanten Abenteuer zu erleben“, sagte sie in einem halbherzigen Versuch, ihn davon abzubringen, sie zu begleiten. „Es wird Euch sehr langweilen, Sir.“
    „Der Mann, der sich in Eurer Gesellschaft langweilt, muss erst geboren
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