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Die Braut des Vagabunden

Die Braut des Vagabunden

Titel: Die Braut des Vagabunden
Autoren: CLAIRE THORNTON
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werden, meine Schöne“, erwiderte er und zog einen schlichten olivgrünen Überrock an. Den Kasten mit der Laute warf er sich über die Schulter und lächelte über ihren verwirrten Gesichtsausdruck. „Gehen wir.“
    Temperance folgte ihm aus der Taverne. „Ich bin nicht Eure Schöne“, sagte sie, kaum dass sich die Tür hinter ihnen geschlossen hatte.
    „Wo ist dann Euer Mann?“, fragte Jack Bow. „Der das Recht hat, Euch so zu nennen?“
    „Es gibt niemanden“, sagte Temperance. Ihr öffentliches Ansehen als tugendhafte Jungfer war wichtig, damit sie das Recht behielt, in der Stadt als Angehörige der Tuchhändlergilde Handel zu treiben. Erst zu spät fiel ihr ein, dass sie diesem Fremden gegenüber misstrauischer hätte sein sollen.
    „Warum nicht?“, fragte er.
    „Warum …? Das geht Euch nichts an.“ Sie ging die Straße hinunter.
    „Bei so einem hübschen, heißblütigen Frauenzimmer müssten die Bewerber doch Schlange stehen“, sagte er und hielt mit ihr Schritt. „Habt Ihr sie mit diesem Stock vertrieben?“
    „Die Tatsache, dass Ihr mir geholfen habt, gibt Euch nicht das Recht, mich zu verspotten!“, rief Temperance aus. „Geht weg und ärgert eine andere.“
    „Oh, meine Schöne, die Nacht ist noch jung – und mit Euch bin ich noch nicht fertig“, erwiderte er. „Ihr geht so reizend auf meine Neckereien ein.“
    „Was?“ In der Dunkelheit versuchte sie, ihn anzusehen. „Ihr seid ein überheblicher Halunke. Ich glaube kaum, dass jemand, der so kühn spricht, auch nur eine Spur von Feingefühl und Anstand besitzen kann.“
    Er lachte.
    Temperance ging schneller.
    „Was ist mit Eurem Vater oder Brüdern?“, fragte er und passte sich ihrem Tempo an. „Warum schickten sie Euch, um Tredgolds Forderungen zu entsprechen?“
    Zu ihrer Überraschung hörte sie etwas wie Missbilligung in seinen Worten.
    „Issac ist krank“, sagte Temperance und wusste nicht recht, was sie von seiner Beharrlichkeit halten sollte. „Sonst hätte er mich begleitet.“
    „Und Isaac ist …?“
    „Mein Lehrjunge.“
    „Euer Lehrjunge?“, wiederholte er. „Dann seid Ihr die Herrin?“ Er lachte leise. „Kein Wunder, dass Ihr Tredgolds Unverschämtheit nicht einfach hinnehmen wolltet.“
    „Es ist meine Tuchhandlung“, erklärte Temperance stolz. „Ich bin das einzige Kind meines Vaters, das überlebt hat. Ich habe sie von ihm geerbt und führe sie in jeder Hinsicht allein. Darin bin ich sehr gut.“ Sie achtete darauf, dass ihre Stimme bei ihren letzten Worten fest klang. Es gab wenige Dinge in ihrem Leben, auf die sie wirklich stolz sein konnte, zum Beispiel gab es keine Schlange von Bewunderern, die sie mit Liebesworten betörten. Aber sie hatte hart gearbeitet, um das Geschäft ihres Vaters zu erlernen. „Weder will ich heiraten noch einen Mann über mich bestimmen lassen.“
    „Aber Ihr könntet doch Euer Geschäft weiterbetreiben, oder? Solange Euer Gemahl seinen eigenen Handel treibt und keinen Teil hat an Eurem?“
    „Unter bestimmten Umständen. Aber wenn mein Gemahl in der Stadt kein freier Mann ist, könnte ich das Recht auf Handel vollkommen verlieren.“ Temperance hielt inne. Es überraschte sie, dass Jack Bow sich mit den Gesetzen der Stadt so gut auskannte.
    „Woher wisst Ihr das?“, fragte sie.
    Sie spürte mehr, als dass sie es sah, wie er die Schultern zuckte. „Mein Urgroßvater war ein Gemischtwarenhändler“, erwiderte er. „Ein wenig kenne ich die Gebräuche der Stadt.“
    „Warum seid Ihr nicht in seine Fußstapfen getreten? Wenn Ihr Euch nicht für den Handel interessiert habt, dann gibt es bestimmt eine Menge anderer Gewerbe, in denen es ein kräftiger, kluger Mann zu etwas bringen kann.“
    „Er starb, ehe ich geboren wurde“, sagte Jack. „Ich trat in die Fußstapfen meines Vaters.“
    „Und der war ein heimatloser Vagabund.“
    Auf ihre vorschnelle Bemerkung folgte Schweigen. Als es anhielt, wünschte sie, ihre Worte zurücknehmen zu können. Sie hatte den Mann, über den sie kaum etwas wusste, nicht beleidigen wollen. Aber Jack Bow hatte etwas an sich, das sie veranlasste, viel zu unüberlegt zu sprechen.
    „Es tut mir leid …“, begann sie und wollte sich entschuldigen für ihren Angriff gegen seinen Vater, ohne allerdings ihr Verhalten Jack selbst gegenüber ändern zu wollen.
    „Entwurzelt“, sagte er gleichzeitig. „Entwurzelt, nicht heimatlos. Er wusste, woher er kam. Seine Versuche, dorthin zurückzukehren, wurden vereitelt.“
    „Ich kenne ihn
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