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Die Braut des Ritters

Titel: Die Braut des Ritters
Autoren: Lynsay Sands
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Knappen musste er beispielsweise nicht in sein Ehebett holen. Zudem musste er nicht all die Erdenjahre, mit denen er gesegnet - oder gestraft - sein würde, an der Seite des Knappen verbringen. Und den Knappen konnte er jederzeit vor die Tür setzen, sofern dieser ihm missfallen sollte. Mit einer Gemahlin konnte man das nicht einfach tun, ganz gleich, wie sehr sie einem zusetzte.
    Obendrein hatte er seine Zukünftige bislang nicht zu Gesicht bekommen. Fast schien es, als weiche sie ihm aus. Und ihm schwante, dass das kein gutes Zeichen war.
    „Noch ein wenig einziehen, den Bauch, Mylady.“
    „Geht nicht, Runilda, mehr ist unmöglich“, presste Avelyn hervor, ehe ihr endgültig die Luft ausging. „Wie viel fehlt denn?“
    Das Zögern der Kammerfrau war Antwort genug. Ergeben stieß Avelyn den Atem aus. „Es bringt nichts, Runilda. Ich werde nicht in dieses Kleid passen, und das wissen wir beide. Und selbst wenn, würden die Nähte platzen, sobald du den letzten Haken schließt.“
    „Es tut mir so leid, Mylady. Ich hätte es nicht so eng machen sollen.“ Runilda trat hinter Avelyn hervor, die Miene schuldbewusst.
    „Du kannst nichts dafür, schließlich habe ich es dir befohlen.“ Avelyn ließ sich aufs Bett sinken und suchte fieberhaft nach einer Lösung. Viele Möglichkeiten gab es nicht. Sie hatte in den vergangenen zwei Wochen keine dreißig Pfund abgenommen. Trotz aller Entschlossenheit und Mühen mochte es gar sein, dass sie ein, zwei Pfund zugelegt hatte. Und nun wollte das wunderbare blaue Gewand, an dem Runilda und sie so lange gearbeitet hatten, einfach nicht passen.
    Der Vorteil war, dass sie an ihrem Hochzeitstag nun keiner Riesenblaubeere ähneln würde. Leider stellte sie das aber vor die Wahl, entweder wie eine Riesenkirsche daherzukommen oder wie ein riesengroßer Haufen ...
    „Vielleicht, wenn wir die Nähte auslassen ...“, schlug Runilda unsicher vor. Doch Avelyn wusste, dass dies unmöglich war. Sie hatte darauf bestanden, den überschüssigen Stoff herauszutrennen, um sich selbst zum Abnehmen anzuspornen. Sie war ja ein solcher Holzkopf.
    Hätte sie das Gewand wenigstens einmal vorher anprobiert, so hätten sie womöglich noch etwas retten können. Aber das hatte sie nicht. So viel war für die Hochzeit vorzubereiten, so viele Gäste zu begrüßen gewesen, dass sie an das Kleid gar nicht mehr gedacht hatte - ebenso wenig wie an den Umstand, dass sie Runilda angewiesen hatte, es enger zu machen. Was war sie doch für eine Närrin.
    Avelyn rang Jammer und Selbstmitleid nieder, stand auf und kämpfte sich aus dem Kleid.
    „Nun, dann muss es wohl oder übel das rote Gewand sein. Es ist das am wenigsten Getragene.“ Sie verdrängte den Gedanken daran, weshalb dies so war. Das Letzte, was ihr fehlte, war die Sorge darum, dass die Farbe des Stoffs auch ihre Wangen rot glühen lassen würde. Glücklicherweise sah Runilda davon ab, diesen Punkt anzusprechen, und murmelte lediglich ein untröstliches: „Ach, Mylady.“
    Als Avelyn das Beben in Runildas Stimme hörte, straffte sie die Schultern. „Nicht weinen, Runilda, sonst breche ich ebenfalls noch in Tränen aus.“
    Sie wandte sich von der Leidensbittermiene ihrer Kammerfrau ab, fest entschlossen, diese Misere mit aller Würde und Souveränität zu meistern, die sie aufbringen konnte. Sie würde nicht weinen. Selbst wenn Paen Gerville sie zurückweisen sollte, sobald er sie sah, würde sie dies hoch erhobenen Hauptes hinnehmen und ein ruhiges, ungerührtes Äußeres wahren.
    Avelyn wühlte sich durch den Inhalt ihrer Truhe, bis sie das rote Kleid fand. Sie fuhr mit den Fingern über den kühlen Stoff und verzog den Mund. Als der fahrende Händler den Ballen damals von seinem Fuhrwerk gezogen hatte, war sie der Meinung gewesen, nie ein schöneres Tuch gesehen zu haben. Sie hatte sich ein schlicht geschnittenes  Gewand ausgemalt, das ihren Körper sanft umschmeichelte. Wobei sie sich im Geiste natürlich als schlankes, anmutiges Wesen gesehen hatte - ein Bild, das blieb, bis das Kleid fertig war. Als Avelyn es zum ersten Mal angezogen hatte, war sie sich wunderschön vorgekommen ... bis sie zum Nachtmahl nach unten gegangen war.
    Hugo, Stacius und Eunice hatten das Bild rasch verpuffen lassen. Ihre bissigen Bemerkungen und grausamen Worte hatten all den Stolz und die Freude, die Avelyn angesichts des neuen Kleides empfunden hatte, gemeuchelt. Plötzlich hatte sie sich unförmig und plump gefühlt. Eunice hatte betont, welch unvorteilhafte
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