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Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil
Autoren: Christian Jacq
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befindet sich meine Werkstatt.«

 
    4
     
     
     
    Der Fischer
brachte Geru und Nedjemet Neuigkeiten von ihrem Sohn. Er berichtete, Kamose sei
als Lehrling in einer Werkstatt des Tempels von Karnak angestellt worden und
man sei dort mit ihm zufrieden. Was der Fischer aber dann Kamose berichtete,
ließ diesem das Herz stocken. Der Bürgermeister des Dorfes hatte es dem Helden
Setek gestattet, Geru und Nedjemet als Diener anzufordern, da diese ihr altes
Haus ja bestens kennen würden.
    Kamose konnte
sich das traurige Schicksal seiner Eltern, die nun für den Mann arbeiten
mussten, den sie am meisten auf der Welt hassten, nur zu gut vorstellen. Immer
schwerer war die Ungerechtigkeit zu ertragen, wie besessen stürzte er sich in
die Arbeit, mehr noch als zuvor.
    Seine
Kameraden waren ihm zunächst mit Misstrauen begegnet, aber es gelang Kamose
doch, ihre Wertschätzung zu gewinnen. Seine Ernsthaftigkeit, sein Wille zum
Erfolg, seine Weigerung, sich den Klatsch der einen und den Tratsch der anderen
anzuhören, nötigte allen Respekt ab. Zunächst war er als Gehilfe dafür zuständig,
die Werkzeuge wegzuräumen und zu beaufsichtigen, danach wurde er bei den
Polierern aufgenommen. Später lernte er, mit Meißel, Holzhammer und Dechsel
umzugehen. Er erwies sich als präziser Arbeiter. Für einen Menschen seines
Alters legte er eine außergewöhnliche Konzentrationsfähigkeit an den Tag. Er
widersprach keinem einzigen Befehl seines Meisters und machte sich fleißig
daran, seine Fehler zu korrigieren und unaufhörlich auf dem Weg der
Kunstfertigkeit voranzuschreiten.
    Die Werkstatt
befand sich neben dem überdachten Tempel, dessen Geheimnis von hohen Mauern
geschützt wurde. Nur hochrangige Schreiber und die Tempelpriester durften ihn
betreten, diejenigen, die in die göttlichen Geheimnisse eingeweiht waren und
denen die Wissenschaften vertraut waren, die sie an ihre Schüler weitergaben.
Zu diesen Wissenschaften gehörte die Geometrie als unerlässliche Grundlage für
die Arbeit der Feldmesser. Deshalb befanden sich auch die Büros des
Katasteramtes in diesem für Nichteingeweihte unzugänglichen Teil des Heiligtums
von Amun. Kamose hätte ihnen nicht näher und ferner zugleich sein können.
    Wie sollte er
es nur schaffen, hineinzugelangen?
    Doch eines
Tages würde er die Lösung finden. Vielleicht, indem er der Beste in seinem
Beruf werden würde. Aus diesem Grund gönnte sich Kamose keine Zerstreuung und
keine Muße. Er saß auf seinem Schemel, machte die Vorarbeiten für einen
Türsturz, meißelte Hieroglyphen in Granit und wirkte an der Herstellung einer
Holzstatue mit, deren Kopf er anpasste.
    Der Meister
war von den Fortschritten seines Lehrlings beeindruckt. Am Ende seines ersten
Arbeitsjahres war Kamose weiter als manch anderer Lehrling, der bereits drei
oder vier Jahre in der Werkstatt arbeitete. Aber er blieb scheu und
verschlossen. Niemand war zu seinem Vertrauten geworden. Niemandem war es
gelungen, ihm sein Geheimnis zu entreißen.
    Aus dem Dorf
kamen schlechte Nachrichten. Der Gesundheitszustand seiner Eltern
verschlechterte sich. Setek zwang sie zu harter Arbeit.
     
     
    Der
Arbeitstag war beendet, die Werkstatt leer. Nur Kamose war noch dageblieben und
beendete die Arbeit an einem Stuhl mit rechteckiger Rückenlehne.
    Der Meister betrat
geräuschlos den Raum und beobachtete den jungen Mann bei der Arbeit.
    Kamose mochte
seine Werkzeuge. Er nutzte sie mit Verstand und handhabte sie mit großer
Präzision. Der Respekt, den er ihnen erwies, war die beste Erklärung für seine
Erfolge.
    »Die Stunde
ist gekommen«, verkündete der Meister.
    Kamose wandte
sich rasch um.
    »Ach, Ihr
seid es, Meister… Ich hatte Euch nicht hereinkommen hören. Von welcher Stunde
sprecht Ihr?«
    »Von der deines
Meisterstücks, Kamose.«
    Der Lehrling
legte sein Holzstemmeisen beiseite.
    »Jetzt schon?
Aber die anderen…«
    »Bis jetzt
hast du dich kaum um die anderen gekümmert. Du bist deinen Weg gegangen und
hast dein Geheimnis bewahrt. Ich bin zufrieden mit deiner Arbeit. Heute sollst
du versuchen, die Werkstatt zu wechseln, und mehr über die Gesetze der heiligen
Geometrie lernen. Ein anderer Meister wird dich auf diesem Wege weiterführen.«
    Kamose schien
über diese Nachricht nicht glücklich.
    »Muss ich
dazu die Tempelmauern verlassen?«, fragte er ängstlich.
    »Ganz gewiss nicht!«
    Ein Lächeln
erhellte das Gesicht des jungen Mannes.
    »Ein
Meisterstück fertigen… Erhält man dadurch Zugang zum überdachten
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