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Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil
Autoren: Christian Jacq
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mich um das Dorf zu kümmern, wenn sich alle so verhalten
würden wie du?«
    »Es ist ein
außergewöhnlicher Fall«, wiederholte Kamose fest.
    »Das musst du
mir erklären.«
    »Ein Soldat namens Setek will
unser Haus, unser Land und unser Hab und Gut stehlen.«
    »Stehlen? Pass auf, was du
sagst, Kamose! Verleumdung ist ein schweres Vergehen, das streng bestraft
wird.«
    »Setek ist
nicht von hier. Er kommt aus Asien. Er hat keinerlei Recht dazu.«
    »Du täuschst
dich«, sagte der Bürgermeister ernst. »Setek ist ein Veteran der Armee von
Ramses dem Großen.«
    Kamose machte
große Augen.
    »Wisst Ihr…
Wisst Ihr Bescheid?«
    »Natürlich.
Er kam zu mir, bevor er deinen Eltern seine Forderungen vorgetragen hat.«
    »Warum habt
Ihr ihn nicht daran gehindert?«
    »Weil er absolut korrekt
handelt«, antwortete der Bürgermeister. »Setek hat einen Befehl des Pharao.
Verstehst du denn nicht, mein armer Junge! Dieser Mann ist ein Held. Dank
seiner Taten und der seiner Waffenbrüder wurde Ägypten vor der Invasion
bewahrt. Da ist es ganz normal, dass der Pharao ihm große Privilegien erteilt.«
    »Ist es denn
ein Privileg, meine Familie zu ruinieren?«
    »So haben die
Götter entschieden. Unser Schicksal liegt in ihren Händen. Es nutzt nichts,
dich zu empören. Du musst gehorchen, genau wie deine Eltern, genau wie ich.
Einen Befehl des Pharao zweifelt man nicht an.«
    »Selbst wenn
der Pharao…«
    »Kein Wort
mehr!«, befahl der Bürgermeister mit wachsender Verärgerung. »Nimm dich in
Acht, Kamose. Ich betrachte die Angelegenheit als erledigt. Morgen wird Setek
das Gut, das ihm vom Katasteramt zugeteilt wurde, in Besitz nehmen. Deine
Eltern werden in meine Dienste treten. Es wird ihnen an nichts mangeln.«
    Kamose war
stumm vor Empörung.
    Der herrliche
Garten verwandelte sich für ihn in eine Höhle voller Dämonen, Dämonen, die mit
scharf geschliffenen Messern unachtsamen Reisenden die Kehle durchschneiden.

 
    3
     
     
     
    Das
Abendessen verlief in gedrückter Stimmung. Kamoses Vater blieb liegen und dämmerte
dahin. Die sanfte Nedjemet hatte gebratenes Lamm und Honigkekse zubereitet,
rührte das Essen aber nicht an.
    Die Nacht
brach herein, es war warm und ruhig, eine Öllampe verbreitete schwaches Licht.
Der Hund der Familie hatte sich der Länge nach auf der Schwelle des Hauses
niedergelassen. Das Dorf sank in Schlaf. Am nächsten Tag würden die
Vorbereitungen für das Erntefest beginnen, bei dem eine Priesterin des Tempels
von Karnak dem göttlichen Fluss die schönste Garbe des schönsten Feldes
darbieten würde – »die Braut des Nil«, wie sie genannt wurde.
    Kamose hatte
seiner Mutter alle Einzelheiten des enttäuschenden Gesprächs mit dem
Bürgermeister geschildert. Sie hatte nicht die geringste Empörung geäußert.
    »Finde dich
damit ab, mein Sohn. Ein brennendes Herz ist eine Beleidigung der Götter.«
    Der junge
Mann verspürte kein Verlangen nach einer Auseinandersetzung. Er war mit seiner
Mutter nicht einer Meinung, liebte sie aber zu sehr, um ihr zu widersprechen.
    »Der
Bürgermeister hat vom Katasteramt gesprochen«, sagte er. »Wo befindet sich
das?«
    »Nicht hier.
Im Tempel von Karnak.«
    »Und wenn sie
sich dort getäuscht haben? Wenn das Katasteramt vielleicht einen Fehler
begangen hat?«
    »Es wird von
den königlichen Schreibern geleitet, mein Sohn. Sie sind sehr genau.«
    »Trotzdem
will ich dieses Kataster konsultieren, das uns unseren Besitz wegnimmt. Ich
breche morgen nach Karnak auf!«
    »Das ist eine
Torheit«, wandte Nedjemet ein. »Wir kennen dort niemanden. Du weißt nicht
einmal, an wen du dich wenden sollst.«
    »Ich werde es
herausfinden. Ich werde den Lauf des Schicksals ändern.«
    »Nur die
Zauberpriester sind dazu in der Lage, mein Sohn. Du bist nur ein Bauer wie
wir.«
     
     
    Kamose brach
im Morgengrauen in einem Fischerboot auf, das einem Freund seiner Eltern
gehörte.
    So musste er
nicht mit ansehen, wie Setek die sanfte Nedjemet und den schweigsamen Geru
rücksichtslos aus ihrem Haus vertrieb. Geru, der sich kaum auf den Beinen
halten konnte, war von Nachbarn zu dem kleinen Haus gebracht worden, das der
Bürgermeister ihnen zugeteilt hatte. Nedjemet war in die Bäckerei, Geru in die
Speicher versetzt worden.
    Keiner von
beiden hatte protestiert. Sie würden sich schon an ihr neues Leben gewöhnen.
    Kamose
wusste, dass jegliche Diskussion mit den Eltern aussichtslos war. Ihr Gehorsam
wandte sich nun gegen sie selbst. Nur er konnte sie aus der Sklaverei
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