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Die Braut des Nil

Die Braut des Nil

Titel: Die Braut des Nil
Autoren: Christian Jacq
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auf Sockeln liegender Widder säumten ihn und beschützten
eine Skulptur des Pharao. Im Widder verkörperte sich der Gott Amun. Sein
gewundenes Horn symbolisierte das Wachstum des Lebens und war der Schlüssel für
die Proportionen, nach denen sich die Welt organisierte.
     
     
    Es herrschte
ein regelmäßiges Kommen und Gehen von kahl geschorenen Priestern in weißen
Leinengewändern, die Papyrusrollen bei sich trugen. Durch eine kleine Tür in
der Mauer, die für alle geöffnet zu sein schien, betraten sie den Tempel.
    Kamose
drängte sich hinein.
    An der
Schwelle zu einem weitläufigen, nicht überdachten Hof blieb er stehen: Hier
standen zahlreiche Statuen hoher Persönlichkeiten, die von den Dargestellten
als Opfergaben aufgestellt worden waren. Ihr unvergängliches Abbild ließ sie
teilhaben an der Ausstrahlung Amuns.
    Ein alter Priester hinderte
Kamose mit ernster Stimme daran, weiterzugehen.
    »Was willst
du?«
    Kamose
schluckte. Er war so beeindruckt, dass ihm fast die Stimme versagte.
    »Ich… Ich
wollte das Kataster einsehen.«
    »Wer bist
du?«
    »Der Sohn von
Geru und Nedjemet.«
    »Du bist kein
Schreiber. Das hätte ich mir bei deiner Aufmachung auch denken können.«
    Der alte
Schreiber warf einen strengen Blick auf Kamoses abgetragenen, staubigen
Lendenschurz. Der junge Mann schämte sich. Aber darauf konnte er keine
Rücksicht nehmen. Allein sein Auftrag zählte.
    »Wo befindet
sich das Katasteramt?«
    »Hier in
diesem Tempel unter der Aufsicht der königlichen Schreiber.«
    »An wen muss
ich mich wenden, um dort Zugang zu erhalten?«
    »An niemanden, wenn du nicht
Schreiber bist.«
    »Meine Eltern
sind von einem Soldaten von ihrem Land und aus ihrem Haus vertrieben worden«,
erklärte Kamose. »Ich bin überzeugt, dass es sich um einen Irrtum des
Katasteramtes handelt.«
    »Das Katasteramt irrt nicht,
mein Junge. Kehr nach Hause zurück. Du hast hier nichts zu suchen.«
    »Hört mich
an, ich bitte Euch!«
    Der alte
Priester wandte sich ab.
    Zwei mit
langen Stöcken bewaffnete Wachen tauchten auf. Eilig verließ Kamose den großen
Eingangshof.
    Bedrückt saß
Kamose da, den Kopf auf die Knie gelegt, und kämpfte gegen Tränen der Wut.
Schreiber zu werden war für ihn unmöglich.
    Er hatte sich an eine
Straßenecke gekauert und achtete nicht darauf, was um ihn herum geschah. Theben
interessierte ihn nicht mehr. Die große Stadt wurde für ihn zum Spiegel seines
Unglücks.
    Eine Hand
legte sich auf seine Schulter.
    »Was ist mit
dir, mein Junge?«
    Kamose hob
den Blick und sah einen etwa dreißigjährigen Mann von kräftiger Statur und
einem Wehrgehänge vor der Brust.
    »Lasst mich
in Frieden. Ich möchte mit niemandem sprechen.«
    »Warum so
verzweifelt? Hast du einen lieben Menschen verloren?«
    »Das ist meine Sache.«
    »Du trägst
den Lendenschurz eines Bauern. Du siehst aus, als hättest du dich verirrt. Bist
du von zu Hause weggelaufen?«
    Kamoses
Gesicht verschloss sich. Er verspürte kein Bedürfnis mehr, sich jemandem
anzuvertrauen.
    »Ich suche Lehrlinge. Bist du
bereit zu arbeiten?«
    Kamose dachte
nach. Er konnte nicht ins Dorf zurückkehren. Wie sollte er in Theben überleben?
    »Was für eine
Arbeit?«, fragte er nun.
    »Bestimmt
hast du dich hier in dieser Straße im Viertel der Handwerker hingesetzt, weil
du einer von ihnen werden willst. Ich brauche junge Männer, die Stein und Holz
kennen lernen wollen.«
    Stein und
Holz… Kamose hatte von seiner Mutter die Legende vom Baumeister Imhotep gehört,
dem größten Weisen Ägyptens, der seine Karriere mit dem Ausbohren von Steinvasen
und dem Bearbeiten von verschiedenen Materialien begonnen hatte, bevor er die
Menschen regierte.
    Kamose stand
auf.
    »Ich folge
Euch.«
    »Du bekommst
Kost und Logis. Acht Stunden Arbeit täglich. Mehrere Ruhetage in der Woche und
freie Zeit an Festtagen. Aber ich achte streng auf die Ausführung deiner
Arbeit. Wenn du mich nicht zufrieden stellen kannst, behalte ich dich nicht.«
    Kamose biss
die Zähne zusammen.
    »Ich habe
Euch gesagt, ich würde Euch folgen.«
    »Starrköpfig
und stolz«, bemerkte der Handwerksmeister anerkennend. »Wir werden sehen, ob du
deinem großen Ehrgeiz gewachsen bist.«
    Er ging los,
ohne sich umzusehen. Zu seinem großen Erstaunen bemerkte Kamose, dass sie sich
in Richtung Karnak bewegten. Als der Meister den Weg der Widder einschlug,
konnte der neue Lehrling es sich nicht verkneifen, eine Frage zu stellen.
    »Was machen
wir im Tempel?«
    »Arbeiten,
mein Junge. Dort
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