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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Dachbespannung des Wagens, ohne sie wahrzunehmen. Um sie herum war alles grau und verschwommen, in einen Nebel aus Tränen getaucht, der kein Licht mehr in ihr Herz durchließ. Als der Wagen hielt, schloß sie die Augen und ballte die kleinen Fäuste.
    »Harriet«, sagte Bert Schumacher. »Überleg es dir.« Seine Stimme war heiser und ohne Klang. »Das Leben ist noch nicht zu Ende … es fängt doch erst an bei uns.«
    Harriet schüttelte schwach den Kopf. Sie öffnete die Augen nicht, nur ihre Fäuste lösten sich und die Finger krallten sich in den Stoff der Sitzpolster.
    »Ich will nicht mehr«, sagte sie leise. »Laß mich 'raus … fahr fort … laß mich allein … und vergiß mich. Ich will nicht mehr! Ich will nicht!«
    Sie warf den Kopf nach vorn und sah ihn aus ihren großen schwarzen Augen traurig an. Es war ein merkwürdiges Einverständnis zwischen ihnen, eine Nüchternheit und Klarheit, die gar nicht das Gefühl der Dummheit aufkommen ließen, das allein angebracht gewesen wäre. Sie waren sich über alle Konsequenzen völlig im klaren, aber sie sahen nicht ein, daß es einen anderen Weg geben konnte.
    Bert Schumacher stieg aus dem Wagen und half Harriet-Rose heraus. Langsam gingen sie in den verfilzten Wald hinein, dem Neckar entgegen, der an dieser Stelle durch Strudel gefährlich und tückisch war. Das Wasser kreiselte über Erdlöchern und riß mit Strömungen unter der Wasseroberfläche alles mit sich.
    Bert blieb auf einer kleinen Lichtung stehen. Hohe Weiden begrenzten den kleinen Platz. Hier hatten sie früher als Kinder ein Zeltlager gebaut, bis der Flußwächter ihnen das verbot, eben wegen der Strudel und Strömungen, um die sie damals ahnungslos und lachend herumgeschwommen waren.
    »Warum willst du das tun?« fragte Bert und erfaßte beide Hände Harriets. »Denk an deine Mutter.«
    »Sie hat sechzehn Jahre ohne mich leben können … sie wird es auch weiterhin.« Das klang hart, aber es war gewollte Härte, ein Bezwingen aufkommender Regungen und heißer, den Atem abschnürender Angst. Sie riß ihre Hände aus Berts Umklammerung und trat ein paar Schritte zurück. »Bitte, fahr weg … laß mich allein –«, sagte sie leise.
    Berts Gesicht war zu einer Maske erstarrt. »Du weißt genau, daß ich das nie tun werde. Gerade jetzt bleibe ich bei dir.«
    »Von dir ist es Dummheit … du hast ein Leben vor dir. Aber ich?«
    »Solange du bei mir bist –«
    Harriet schüttelte wild den Kopf. »Ich bringe Unglück … siehst du das denn nicht? Mutti ist unglücklich geworden, seitdem ich da bin, eure Fabrik wäre bald zugrunde gegangen, weil du mich liebst, meinen Vater haben sie erschlagen, weil er eine schwarze Hautfarbe hatte … wo ich bin, kommt das Unglück mit. Das will ich nicht mehr.«
    »Aber das hier ist auch der falsche Weg.«
    »Für alle, die es nicht verstehen, ja. Nicht für mich. Ich werde endlich Ruhe haben.«
    »Harriet!« Bert schluckte. Seine Stimme klemmte sich fest. Es war ihm, als zerfalle in ihm sein Herz und löse sich im kochenden Blut auf. »Ich sollte dich zwingen.«
    »Das kannst du nicht mehr.« Sie wich vor ihm zurück. »Es ist für alles zu spät. Du weißt es ganz genau. Ich werde von diesem Platz nicht wieder zurückkommen.«
    Berts Gesicht überzog sich mit kaltem Schweiß. Die Entschlossenheit Harriets ließ keine Kompromisse mehr übrig. Mit Worten war sie nicht mehr zu überzeugen … ihre Todessehnsucht hatte etwas so Zwingendes an sich, war von ihr aus betrachtet ein so vollkommener Abschluß ihres überall unerwünschten Lebens, daß auch Bert Schumacher mit eisigem Schreck erkannte, daß es kein Zurück mehr gab. Um Hilfe zu holen, war es wirklich zu spät … er konnte Harriet nicht alleinlassen. Sie ergreifen und unschädlich machen und zurück nach Heidelberg bringen, war ebenso unmöglich, denn sie würde sich nie greifen lassen und sich verteidigen wie eine Wildkatze. Welche Stärke sich in dem kleinen Körper entwickeln konnte, wenn die ganze Wildheit durchbrach, wußte er.
    »Was … was willst du tun?«
    Harriet lehnte sich an den Stamm einer Weide und nahm aus der Rocktasche eine kleine Rasierklinge. Zwischen Daumen und Zeigefinger hielt sie sie hoch. »Hier.«
    »Woher hast du die Klinge?«
    »Ich brauche sie, um Säume aufzutrennen. Ich habe gelesen, es soll ein schöner Tod sein. Man wird müder und müder und schläft ein und merkt gar nicht, wie man wegblutet.«
    »Das … das ist doch Irrsinn, Harriet.« Berts Augen wurden starr. »Laß
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