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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Streifschuß ist es, weiter nichts. Die Schläfenhaut ist aufgeritzt, nicht mal der Knochen ist angekratzt. Es wird eine kleine Narbe zurückbleiben, und später, wenn sie sich im Spiegel besieht, wird sie sagen: Dort, der Strich in der Haut, das ist der ewige Beweis meiner Dummheit.«
    Bert Schumacher war aufgesprungen und zu Harriet gestürzt. Er beugte sich über sie und sah erst jetzt, daß der Schuß nicht in den Kopf gefahren war, sondern ihn lediglich gestreift hatte. Der Blutverlust war groß, aber es war nicht der geringste Anlaß vorhanden, sich Sorgen zu machen. Als er die Augen schloß und die Pistole abdrückte, mußte Harriet in einer Sekunde voll Todesangst geschwankt haben. So traf sie die Kugel nur wie ein Schlag an die Schläfe und der Schock, getroffen zu sein, ließ sie besinnungslos werden.
    Als sich Bert Schumacher aufrichtete und zu dem Arzt umdrehte, standen Tränen in seinen Augen. Er zwang sich nicht, sie zu verbergen.
    »Sie wird weiterleben«, sagte er glücklich.

12.
    Der gesellschaftliche Skandal, der durch die Verzweiflungstat Harriets ausgelöst werden konnte, kam nie zum Ausbruch. Weder die Presse erfuhr etwas von dem kleinen Drama im Neckarwäldchen noch wurde es in einem engeren Kreis bekannt. Harriet ließ sich krank melden, der Krankenhausarzt bescheinigte einen Unfall; an der Universität wußte nur der Dekan der medizinischen Fakultät, was geschehen war. Arnold Schumacher hatte ihn selbst unterrichtet und ihm die Sachlage in aller Offenheit dargestellt.
    »Wenn man von einer Schuldfrage sprechen kann«, sagte der Dekan und gab Schumacher die Hand, »so sollte man sagen: Die Überheblichkeit der sogenannten Gesellschaft trifft die Verantwortung. Ich kann verstehen, daß man einen Menschen bis zum Äußersten treiben kann. Diese modernen Hexenjagden sind ein trauriges Kapitel der Neuzeit. Vielleicht hängt es damit zusammen, daß alle Menschen zu schnell das Gestern vergessen wollen.«
    Die Verschwiegenheit, die sich um Harriet und Bert legte, war das Verdienst Ernst Pachtners. Nachdem die Polizei Arnold Schumacher über den Vorfall benachrichtigt hatte, war er sofort nach Hause gefahren. Erika Schumacher war gerade massiert worden, die Masseuse packte ihre Tasche ein, und Frau Schumacher lag durchgeknetet und etwas erschöpft im Bett und trank ein Glas Orangensaft zur Kräftigung. Sie war sehr verwundert, daß ihr Mann in das Schlafzimmer stürmte und mit fremdartigem Temperament die Türen hinter sich zuknallte. Die Masseuse verabschiedete sich schnell.
    »Was ist denn, mein Lieber?« fragte Erika. »So ärgerlich?« Sie reckte sich etwas. »Richtig wütend siehst du aus. Es macht dich um fünfzig Prozent männlicher –«
    »Laß diesen Blödsinn!« schrie Schumacher. Er riß das Bettuch von Erikas Körper. Sie blieb mit großen Augen liegen und zog ein wenig die Beine an.
    »Na, na!« stotterte sie.
    »Steh auf!« brüllte Schumacher. »Zieh dich an und komm mit!«
    »Wohin, mein Lieber?«
    »Ins Untersuchungsgefängnis!«
    Erika Schumacher machte große, ungläubige Augen. Sie richtete sich auf und saß wie eine weiße Statue starr im Bett. Arnold Schumacher rannte vor dem Bett hin und her und hieb mit der rechten Faust in die linke Hand.
    »Ins … wohin?« fragte Erika spitz.
    »Ins Gefängnis. Unser Sohn sitzt dort.«
    »Bert!« Mit einem Satz war Erika aus dem Bett. »Was hat er denn angestellt? Mein Gott! Mein Gott! Es ist deine Erziehung! Es ist nur deine Toleranz! Ich habe immer gesagt, der Junge hat ein so weiches Herz und –«
    »Ruhe« brüllte Schumacher. »Zieh dich an! Er hat versucht, jemanden zu erschießen.«
    »Pachtner! Oh!« Erika sank auf einen Fellsessel. »Und alles wegen dieses Negerbalgs!«
    »Dieses Negerbalg wollte er erschießen.« Schumacher blieb vor seiner Frau stehen. Sie hatte einen Schwächeanfall und lehnte sich an seinen Magen. »Aber nicht, wie du es lieber hättest, um sie loszuwerden, sondern weil wir, ja, auch wir, sie in den Tod getrieben haben. Sie wollten gemeinsam sterben. Das ist deine Schuld!«
    Erika schlug die Hände vor die Augen. »Wie gemein du bist. Wie gemein, ich bin eine Mutter und ich empfinde anders als du. Daß du mir das zum Vorwurf machst.«
    »Zieh dich endlich an!«
    »Ist … ist Bert schwer verletzt?«
    »Nein. Gott sei Dank überhaupt nicht.«
    Das schien Frau Schumacher zu beruhigen. Ihre Tränen blieben aus. Sie hob den Kopf und schien wesentlich gefaßter.
    »Ist sie … sie tot?«
    »Auch nicht.«
    »Es
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