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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose
Autoren: Heinz G. Konsalik
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zwischen Kragen und Hals hin und her, als drücke der Nylonstoff.
    »Warum kommst du da zu mir? Ich bin nicht der Vater des Kindes, ich habe es nicht adoptiert, du weißt genau, daß ich –«
    »Jajajaja!« schrie Marianne und hielt sich die Ohren zu. »Ich weiß es. Ich höre es wie in diesem Augenblick: Wenn ich dich heirate, mußt du das Kind weggeben! Meine Eltern, weißt du … und meine Karriere. Ein Mädchen, das mit einem Neger … unmöglich in unserer Familie. Und daß es nicht freiwillig war, das glaubt ja heute keiner mehr. Also, gib das Kind weg, gib es weit weg, stelle es für die Adoption zur Verfügung. Keiner wird jemals erfahren, was gewesen ist. Wir werden eigene Kinder haben … und wenn ich dich nicht so lieb hätte … über den Neger käme ich nie weg.« Sie warf den Kopf hoch. »Du bist nicht darüber weggekommen. Du hast nach einem Jahr dich scheiden lassen … mit einer satanischen Begründung: ›Es ist unüberwindliche Abneigung. Ich kann mit keiner Frau zusammenleben, die mit einem Neger ein Kind hat. Ich habe mir zuviel zugemutet.‹ Das hast du gesagt, wir wurden geschieden.«
    »Bitte. Ich habe die Schuld auf mich genommen. Ich habe dir fast neun Jahre lang jeden Monat –« Er schluckte und goß sich einen neuen Kognak ein. »Nachher hast du darauf verzichtet. Aber was soll das alles? Das ist fünfzehn Jahre her.«
    »Ich habe dich in den ganzen Jahren nie um etwas gebeten. Ich habe mich im Leben allein durchgebissen. Ich habe jeden Monat dreihundertfünfzig Mark nach Konstanz gezahlt, Wäsche, Kleidung und was so alles kommt, extra. Ich habe mein ganzes Leben darauf eingestellt, für Rose zu sorgen … heimlich, aus der Ferne, sie beobachtend. Ein guter Mensch sollte sie werden, frei von Vorurteilen. Sie hat eine Schneiderlehre durchgemacht, sie ist begabt im Modellentwerfen, sie könnte eine Zukunft haben, jeden Monat hat Frau Selpach, die Heimmutter, mir über Rose berichtet … was kann denn sie dafür, daß ihr Vater ein Negersergeant war?« schrie sie.
    Koeberle schwieg verbissen. Im Grunde war ihm der Besuch äußerst peinlich. Wenn jetzt ein Parteifreund kam oder einer seiner guten Kunden. Meine Frau, mußte er bei der Vorstellung sagen, und später klarstellen, daß es seine ehemalige Frau gewesen sei. Das war peinlich, in der Tat. Man erwartete dann Erklärungen, und nie, nie konnte er sagen, daß in seiner Familie – wenn auch mitgebracht – ein Negerkind existierte. Dieses Bekenntnis war gleichbedeutend mit einem Wegzug aus Würzburg.
    »Zur Sache«, sagte er hart. »Was willst du von mir?«
    »Fahr mit mir nach Konstanz.«
    »Wie bitte?«
    »Ich habe – wenn Rose gefunden und zurück nach Konstanz gebracht wird – Rose gegenüber die Pflicht, ihr alles zu erklären. Es soll die Beichte einer Mutter sein, die sechzehn Jahre bereut. Und du sollst mein Zeuge sein. Dann will ich Rose zu mir nehmen nach Heidelberg.«
    Eduard Koeberle zog die Lippen zusammen. Er war ein wenig fahl im Gesicht geworden. Die geheimen Befürchtungen, die er zwischen dem ersten und zweiten Kognak bekommen hatte, bewahrheiteten sich. Die längst abgestreifte und vergessene Vergangenheit kehrte zurück. Zu einem Zeitpunkt, in dem er sie auf gar keinen Fall gebrauchen konnte.
    »Als Zeuge«, sagte er. Es war, als würge er einen unverdauten Fisch aus. »Das ist doch Dummheit. Es ist allein dein Kind … ich habe mich immer davon distanziert.«
    »Ja, das hast du! Weil du ein Feigling warst und es auch heute noch bist! Ich möchte, daß du Rose sagst, daß du es warst, der sie in das Waisenhaus schaffen ließ.«
    »Ich möchte sehen, wer mich zu dieser idiotischen Szene bewegen könnte.« Koeberle stellte das Kognakglas in den Barschrank zurück und schloß mit einem dumpfen Knall die Platte. Es bedeutete soviel, daß für ihn das Gespräch beendet war. »Ich wünsche dir eine gute Fahrt nach Konstanz und ein ferneres gutes Familienleben«, fügte er sarkastisch hinzu.
    Marianne stand auf. »Du läßt mich also jetzt, in dieser schrecklichsten Situation meines Lebens, allein?«
    »Ich kann nicht anders.«
    »Ich habe dich noch nie in all den Jahren um etwas gebeten. Mein Gott … soll ich niederfallen und dich anflehen? Sei doch einmal, einen einzigen Augenblick nur, ehrlich und mutig. Es kostet dich doch nichts … nur ein Wort, eine Klarstellung, eine Wiedergutmachung an einem Menschen, den man sechzehn Jahre lang versteckt hat, weil er braun ist. Dann ist doch alles vorbei … für immer. Ich
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