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Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose
Autoren: Heinz G. Konsalik
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immer roch: jenen Atem nach Whisky und Tabak, keuchend und hechelnd wie ein Raubtier … ein aufgerissener Mund mit leuchtendem Gebiß … eine dicke rote Zunge, die im Speichel schwamm. »Bob!« hatte sie geschrien. »Bob! Warum willst du mich töten?« Aber er hatte sie nicht getötet. O nein, der Tod war es nicht. Und als es vorbei war, weinte er und flehte sie an, ihn nicht anzuzeigen. »Ich heirate dich, Darling«, hatte er gesagt. »Du kommst mit nach Alabama. Du weißt, daß ich Box-Champion bin. Ich werde für uns ein herrliches Leben zusammenboxen. Das mußt du mir glauben. Wir werden gleichberechtigt sein wie die Weißen, denn wir haben ja für die Freiheit der Weißen gekämpft. Es wird keine Nigger mehr geben, sondern nur noch Amerikaner. Wie Lincoln es wollte. Und du kommst mit nach Alabama.«
    Marianne Koeberle griff wieder nach dem Telefon. Es schellte lange, bis sich jemand meldete.
    »Bitte Herrn Schumacher«, sagte Marianne heiser.
    »Ausgeschlossen. Wer ist denn da? Herr Schumacher –«
    »Ich weiß, er schläft noch. Bitte, wecken Sie ihn, Luise. Sie sind doch Luise, nicht wahr? Sagen Sie, Frau Koeberle ist am Apparat. Stellen Sie ins Schlafzimmer um. Bitte, es ist wirklich wichtig.«
    Sie wartete wieder. Dann knackte es, und Arnold Schumacher gähnte.
    »Sie haben wohl schlecht geträumt, Koeberle, was?« sagte er ungehalten. »Oder geht Ihre Uhr vor? Was ist denn?«
    »Ich möchte Sie um eine Woche Urlaub bitten … ab sofort.«
    »Um sieben Uhr morgens? Koeberle, haben Sie gestern gefeiert? Einen Affen, was? Urlaub? Wir müssen morgen nach Hamburg, das wissen Sie.«
    »Nehmen Sie Frau Weiller mit, Herr Direktor. Ich … ich muß eine Woche weg. Es geht nicht anders. Ich habe ein Kind.«
    »Was haben Sie?« Die Stimme Arnold Schumachers machte einen kleinen Überschlag vor Verblüffung. »Sie haben ja einen ganz Gehörigen sitzen, Koeberle. Schlafen Sie sich aus. Morgen sehen wir uns zur gewohnten Zeit.«
    »Nein! Bitte, hängen Sie nicht ein!« schrie Marianne. »Ich werde Ihnen in einer Woche alles erklären. Ich habe wirklich ein Kind … in einem Waisenhaus in Konstanz … und dort ist es weggelaufen … heute nacht … ein Mädchen, sechzehn Jahre alt. Ich bitte Sie …«
    »Wenn es so ist. Sie haben mir nie … aber ja … fahren Sie.«
    Arnold Schumacher legte den Hörer hin. Entgeistert sah er seine Frau an, die mit fragendem Blick neben ihm lag.
    »So was«, sagte er. »Nee, so was.«
    »So red schon! Was hat die Koeberle?«
    »Ein Kind.«
    *
    Der Helfer in Steuersachen Eduard Koeberle hatte sich rasiert, das Gesicht mit Kölnisch Wasser eingerieben und war jetzt dabei, seine buschigen Augenbrauen etwas zu beschneiden. Er tat dies alle zwei Wochen, denn merkwürdigerweise wuchsen sie in dieser Zeitspanne wieder nach. Buschige Augenbrauen aber waren etwas, was nach seiner Meinung nicht zu seinem Typ paßte. Er war mittelgroß, etwas rundlich, hatte braune, an den Schläfen leicht ergraute Haare, ein ovales Gesicht und blaue, treublickende Augen, die manchen Finanzbeamten schon überzeugt hatten, daß Eduard Koeberle für seine Mandanten nie log und keine frisierten Steuererklärungen abgab. Zu alldem paßten keine martialischen Augenbrauen. Ein jeder mit einem bißchen Sinn für Ebenmaß wird dies einsehen.
    Beim Beschneiden der rechten Augenbraue wurde er gestört. Es schellte an der Wohnungstür.
    Eduard Koeberle unterbrach seine Schönheitspflege und ließ es noch einmal klingeln. Ohne Zweifel, es war der tiefere Ton der Privatschelle. Die Büroklingel war heller, schriller, wie eine Fanfare gewissermaßen. Sie machte den Einlaß begehrenden Kunden Mut und kampfeslustig.
    Auch Koeberle sah – wie so viele an diesem Morgen – zuerst auf die Uhr.
    Zehn Uhr vormittags. Im Büro arbeiteten seit zwei Stunden bereits zwei Buchhalter und drei Stenotypistinnen. Eduard Koeberle war ein geachteter Mann. Zu seiner Kundschaft zählten prominente Bürger von Würzburg, gutgehende Kleinbetriebe, mittelgroße Werke, geistig Schaffende, biedere Handwerker. Außerdem war er Schatzmeister der Partei, ein Posten, den er nicht aus Idealismus übernommen hatte, sondern aus der Erwägung heraus, daß eine solche Stellung ihn zwangsläufig mit neuen, gutsituierten Kunden zusammenführen würde.
    Wieder schellte es. Dieses Mal anhaltend. »Bin schon da!« rief Eduard Koeberle. Er schob die Sicherheitskette weg, schloß zweimal herum und stieß die Tür auf.
    »Du?« sagte er überrascht und langgedehnt.
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