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Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung

Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung

Titel: Tagebuch Eines Vampirs 02. Bei Dämmerung
Autoren: Lisa J. Smith
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1. KAPITEL
    „Damon!“ Der eiskalte Sturm peitschte durch Elenas Haare und zerrte an ihrem dünnen Pullover. Eichenlaub wurde zwischen den Marmorgrabsteinen hochgewirbelt, und die Äste der Bäume schlugen krachend gegeneinander. Elenas Hände waren kalt, ihre Lippen und Wangen wie betäubt, aber sie hielt dem brüllenden Wind stand. „Damon!“ Mit diesem Unwetter wollte er ihr seine Macht zeigen, wollte sie vertreiben. Aber es klappte nicht. Der Gedanke daran, daß dieselbe Macht Stefan bedrohte, erweckte in ihr eine heiße Wut, die dem Sturm trotzte. Wenn Damon Stefan etwas angetan hatte, wenn er ihn verletzt hatte... „Damon! Antworte mir gefälligst!“ schrie sie in Richtung der Eichen, die den Friedhof säumten. Ein welkes, braunes Eichenblatt, das aussah wie eine verwitterte Hand, landete zu ihren Füßen. Aber niemand antwortete. Der Himmel über ihr war grau wie Glas, grau wie die Grabsteine, die sie umgaben. Elena fühlte, wie hilfloser Zorn und Frust in ihr hochstiegen. Sie ließ die Schultern sinken. Anscheinend hatte sie sich geirrt. Damon war nicht hier. Sie war allein mit dem brüllenden Sturm. Sie drehte sich um und holte erschrocken Luft. Er stand direkt hinter ihr. So nah, daß ihre Kleidung ihn berührte, als sie sich umwandte. In dieser Nähe hätte sie die Gegenwart eines anderen Menschen erahnen müssen. Hätte seine Körperwärme gefühlt, ihn gehört... Aber Damon war kein Mensch. Elena wich unwillkürlich ein paar Schritte zurück. Ihr Selbsterhaltungstrieb drängte sie zu fliehen. Sie ballte die Fäuste. „Wo ist Stefan?“ Eine kleine Falte erschien zwischen Damons Augenbrauen. „Welcher Stefan?“ Elena trat nach vorn und schlug ihm voll ins Gesicht. Sie hatte es nicht geplant und konnte hinterher kaum glauben, daß sie das gewagt hatte.
    Aber es war ein guter, fester Schlag gewesen. Ihre ganze Körperkraft hatte darin gelegen, und Damons Kopf wurde zur Seite geschleudert. Ihre Hand brannte. Sie versuchte, sich zu beruhigen, und musterte ihn. Wie beim erstenmal, als sie sich begegnet waren, trug er Schwarz: schwarze, weiche Stiefel, schwarze Jeans, einen schwarzen Pullover und eine schwarze Lederjacke. Er glich Stefan. Elena fragte sich, warum ihr das nicht schon vorher aufgefallen war. Er hatte dasselbe dunkle Haar, dieselbe bleiche Haut und dasselbe verwirrend gute Aussehen. Aber sein Haar war glatt, nicht lockig, seine Augen waren schwarz wie der Himmel um Mitternacht und sein Mund grausam. Er wandte langsam den Kopf zurück, um sie anzuschauen. Sie sah, daß auf der Wange, die sie geschlagen hatte, ein roter Fleck brannte. „Lüg mich nicht an“, sagte sie mit zitternder Stimme. „Ich weiß, wer du bist. Ich weiß auch, was du bist. Du hast letzte Nacht Mr. Tanner ermordet. Und jetzt ist Stefan verschwunden.“
    „Tatsächlich?“ „Das weißt du doch genau!“ Damon lächelte kalt.
    „Ich warne dich, wenn du ihm etwas angetan hast...“ „Was dann?“ fragte er spöttisch. „Was willst du mit mir machen, Elena? Was kannst du schon gegen mich ausrichten?“ Elena schwieg. Zum erstenmal fiel ihr auf, daß der Sturm sich gelegt hatte. Um sie herum war es totenstill geworden. Es war, als würden sie im Zentrum einer gewaltigen Kraft stehen. Alles, der bleierne Himmel, die Eichen und Rotbuchen, ja, die Erde selbst schien mit Damon verbunden zu sein. Und er zog seine Kraft daraus. Er stand da mit leicht zurückgeworfenem Kopf.
    Seine Augen waren unergründlich und voller seltsamer Lichter.
    „Ich weiß es nicht“, flüsterte sie. „Aber mir wird schon etwas einfallen, darauf kannst du dich verlassen.“ Er lachte plötzlich auf. Elena zuckte zusammen. Ihr Herz begann, heftiger zu schlagen. Sie mußte zugeben, daß er wunderschön war. Worte wie hübsch oder gutaussehend waren zu schwach und zu farblos, um ihn zu beschreiben. Wie gewöhnlich dauerte das Lachen nur einen Moment. Aber diesmal hinterließ es Spuren in seinen Augen, auch als seine Miene wieder ernst war. „Ich glaube dir“, sagte er. Er entspannte sich und sah sich auf dem Friedhof um. Dann streckte er die Hand nach ihr aus, als wollte er sie streicheln. „Du bist zu gut für meinen Bruder“, erklärte er lässig. Elena wollte die Hand wegschlagen, aber sie hatte Scheu davor, ihn noch einmal zu berühren. „Sag mir, wo er ist.“ „Später vielleicht. Zu einem bestimmten Preis.“ Er zog seine Hand zurück. Gerade noch fiel Elena auf, daß er denselben Ring wie Stefan trug. Er war aus Silber mit einem
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