Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die braune Rose

Die braune Rose

Titel: Die braune Rose
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
du gelebt?«
    »Ich hatte dreißig Mark. Gespart.«
    »Und per Anhalter biste nach Düsseldorf gekommen?«
    »Ja.« Rose wischte sich das kleine, braune Gesicht mit dem Kopftuch ab. »Zwei Autofahrer waren nett … aber einer wollte auf einem Rastplatz …« Sie schwieg und drehte den Kopf zur Seite. Hauptwachtmeister Schmitz hieb mit der Hand auf den Tisch.
    »Es gibt solche Schweine«, sagte er laut. »Donnerwetter – hast du dir die Nummer des Wagens gemerkt?«
    »Nein. Ich bin weggelaufen. In den Wald. Er ist mir nachgelaufen … aber ich bin schnell. Und er war etwas dick und hatte keinen Atem mehr.«
    »Und dann?«
    »Dann habe ich in Düsseldorf gesucht. Im Telefonbuch, im Adreßbuch … ich bin alle, die Achenberg heißen, abgegangen.«
    Harriet-Rose sah Schmitz groß an. Um ihren ein klein wenig aufgeworfenen Mund zuckte es heftig. Ihre Finger krallten sich in das Kopftuch.
    »Warum bin ich kein Mensch?« fragte sie, und jetzt zitterte ihre Stimme und der singende Klang war wie zerborsten.
    Hauptwachtmeister Schmitz stützte das Kinn in die rechte Hand.
    »Blödsinn«, sagte er. Er wußte genau, was diese Frage bedeutete.
    »Dreimal wurde ich weggejagt. So eine Frechheit von dem Negerbalg, haben sie gerufen. Eine Frau, zu der ich sagte ›Bist du meine Mutti?‹ fiel in Ohnmacht, und der Mann gab mir eine Ohrfeige. Warum können sie nicht verstehen, daß ich meine Mutter suchen will? Daß ich eine Mutter haben will. Ich weiß doch nun, daß sie in Düsseldorf geboren wurde. Hätte man eine Weiße auch geschlagen?«
    Hauptwachtmeister Schmitz schwieg. Aber sein Schweigen war eine Antwort, und Harriet-Rose verstand sie. Das ist eine Mordsschweinerei, dachte er. Das Kind kann ja nichts dafür, aber die Mutter sollte man … auf den blanken Hintern. Es war die einzige Lösung, die ihm einfiel. Er sah ein, daß sie primitiv war, aber ihm fiel im Augenblick nichts Besseres ein.
    »Bitte, verhaften Sie mich«, sagte Rose leise. »Und schicken Sie mich nach Konstanz zurück.«
    »Das ist ganz klar. Wir werden dich abholen lassen. Und solange wirst du im Polizeigewahrsam bleiben. Ins Hotel kannst du nicht mehr zurück.«
    *
    Am späten Nachmittag fuhr der Fernschnellzug aus Konstanz im Düsseldorfer Hauptbahnhof ein. Noch im Ausrollen öffnete sich eine Tür, und Marianne Koeberle sprang auf den Bahnsteig. Ihr folgte Erna Selpach, von der langen Fahrt steifbeinig und innerlich von einem Zittern befallen.
    Vor dem Bahnhof stürzte Marianne auf die erste Taxe zu und riß die Tür auf. »Zum Polizeipräsidium!« rief sie. »Schnell, bitte schnell.«
    »Hann se em Zog einen ömjebracht?« fragte der Fahrer gemütlich.
    Marianne Koeberle sank in die Polster und tastete wie hilfeflehend nach der Hand Erna Selpachs. Zurückgelehnt, mit geschlossenen Augen saß sie da.
    »Ich habe Angst«, sagte sie. »Mein Gott … ich habe Angst, ihr gegenüberzutreten.«

2.
    Im Polizeipräsidium kannte man die Ankunftszeit des Konstanzer Zuges. Erna Selpach hatte es telefonisch durchgegeben. Nun wartete Hauptwachtmeister Schmitz im Zimmer des Vermißtendezernates. Er rauchte eine kleine Zigarre und trank einen Apfelsaft.
    Als Revierbeamter hatte er eigentlich im Vermißtendezernat nichts zu tun. Mit der Ablieferung Harriet-Roses und dem kurzen, nüchternen Bericht war für ihn die Angelegenheit beendet. Dienstlich. Aber Hauptwachtmeister Schmitz hatte mit dem Abheften des unterschriebenen Protokollbogens nicht auch sein Herz gelocht und abgeheftet. Das zierliche braune Mädchen mit den großen, schwarzen Augen und dem strähnigen Haar beschäftigte ihn auch noch nach Dienstschluß.
    Gleich nach der Ablösung um 7 Uhr morgens war er statt nach Hause zum Präsidium gefahren und hatte sich nach Harriet-Rose erkundigt.
    Nun saß er im Zimmer 89, Vermißtendezernat. Hinter den beiden Schreibtischen arbeiteten die Kollegen. Man soll sie nicht stören. Beamte, die Akten bearbeiten, befinden sich in einem autarken Zustand. Es hieße, eine Welt einreißen, wenn man sie schroff von den Akten lösen würde.
    Hauptwachtmeister Schmitz sah auf seine Dienstuhr. Der Fernschnellzug aus Konstanz war eingelaufen. Wenn die Heimmutter eine Taxe nimmt, kann sie in sechs Minuten hier sein. Es kann aber auch sein, daß sie die Straßenbahn benutzt. Das ist billiger. Als Heimmutter eines Waisenhauses ist sie Beamtin und muß sparen. Bei Vorlage der Spesen könnte man fragen: Wieso Taxe? Gibt es in Düsseldorf keine Straßenbahnen? Ein Beamter ist angehalten,
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher