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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans
Autoren: Uwe Klausner
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Hühnereier hin oder her.
    Dass er die Sache nicht auf die leichte Schulter nehmen durfte, wurde ihm umgehend bewusst. Denn kaum hatte sich die erste Verblüffung gelegt, als Bruder Achatius, seines Zeichens Granarius, das Wort ergriff. Der falsche Mann zum falschen Zeitpunkt, fuhr es Bruder Hilpert durch den Sinn, doch da war es bereits passiert. »Das Böse?«, echote der Mittvierziger, der sich den Spitznamen ›Ziege‹ dank Physiognomie und Stimme redlich verdient hatte. »Was soll das heißen?«
    »Das soll heißen«, konterte Bruder Hilpert trocken, »dass unsere Hühner nicht mehr genug Eier legen.«
    Wenn er gehofft hatte, damit die Lacher auf seiner Seite zu haben, sah sich Bruder Hilpert getäuscht. Eisiges Schweigen senkte sich über die Köpfe der knapp sechzig Fratres herab, und als er den Blick auf seine Tischnachbarn richtete, wichen diese ihm aus.
    Kein Zweifel, der Kasus würde komplizierter werden als gedacht.
    Und das nicht zu knapp. »Ich weiß nicht so recht«, näselte Bruder Venantius, Phlegmatiker von hohen Gnaden, vor sich hin, »doch ich bin der Meinung, man sollte die Angelegenheit nicht auf die leichte Schulter nehmen.«
    Unpopulär wie kein Zweiter, erntete der dreiunddreißigjährige Vestiarius jedoch keinen Widerspruch, sondern das exakte Gegenteil. »Ich auch«, meldete sich Bruder Marsilius, der Infirmarius, zu Wort, der dies so gut wie nie zu tun pflegte. »Mit derlei Dingen ist nicht zu spaßen.«
    »Zumal sich Vorfälle dieser Art in letzter Zeit gehäuft haben«, karrte der Cellerarius unverzüglich nach, wobei er Bruder Hilpert triumphierend ansah.
    Doch damit hatte er den Bogen überspannt. »Findet Ihr nicht auch, Bruder Gervasius«, begann sich in Bruder Hilpert der Inquisitor zu regen, »dass unser klösterlicher Friede nicht wegen ein paar Hühnereiern aufs Spiel gesetzt werden sollte?«
    »Und was ist mit dem Hagelschlag, der beinahe unsere Ernte ruiniert hätte?«, setzte sich der Cellerarius vehement zur Wehr. »Oder mit dem Nachtfrost kurz vor der Weinlese?«
    »Oder, schlimmer noch, mit dem Wolfsrudel, das im Winter auf dem Schafhof gewütet hat?«, fügte der Granarius bissig hinzu.
    »Nicht zu vergessen der Komet, der vor ein paar Wochen gesichtet worden sein soll«, ergänzte Simplicius, erst dreißig, dennoch seniler als ein Greis, woraufhin dem Sakristan beifälliges Raunen zuteilwurde und sich aller Augen auf Bruder Hilpert richteten.
    »Mit anderen Worten«, begann dieser, bemüht, sich seine Verärgerung nicht anmerken zu lassen, »die versammelten Brüder sind allen Ernstes der Meinung, dass es im hiesigen Konvent nicht mit rechten Dingen zugeht.«
    »Allerdings.«
    »In diesem Fall, Bruder Gervasius, wäre ich für einen Hinweis, wie einer derartigen Heimsuchung beizukommen ist, über die Maßen dankbar«, fuhr Bruder Hilpert dem Cellerar in die Parade, den die Verschärfung des Tonfalls sichtlich irritierte.
    »Ich weiß nicht so recht«, machte der Vestiarius erneut von seiner bevorzugten Redewendung Gebrauch, »vielleicht wäre es das Beste, wenn wir …«
    Dann brach seine Rede abrupt ab.
    In der Annahme, sein Phlegma hindere den Vestiarius am Weiterreden, tauschten die um den Tisch gruppierten Fratres amüsierte Blicke. Dann aber, als der Vestiarius die Hand hinters Ohr hob, begriffen sie, dass ihr Mitbruder durch irgendetwas abgelenkt worden war.
    Worum es sich handelte, blieb im Dunkeln, auch dann, als die Richtung, aus der das Geräusch kam, längst ausgemacht worden war. Einer nach dem anderen erhoben sich die Mönche von ihrer Bank, darunter auch Bruder Hilpert, der intuitiv nach Westen schaute.
    Anfänglich nicht mehr als ein Brummen, wuchs sich das Geräusch zu einem Rumoren aus, welches wiederum in ein ohrenbetäubendes, von lautem Gebrüll begleitetes Krachen mündete. Vor Schreck wie gelähmt, rührten sich die Fratres nicht von der Stelle und starrten mit angehaltenem Atem zur Tür.
    Paradoxerweise war es der Vestiarius, der die Initiative ergriff, wenngleich er aus dem Tumult, der sich wie fernes Donnergrollen anhörte, die falschen Schlüsse zog. »Ein Überfall!«, rief er, doch kaum hatte er das Wort ausgesprochen, ebbte das Getöse, das sich aus westlicher Richtung auf die Kirche zubewegte, urplötzlich ab.
    Die Stille, die nun einkehrte, währte nur kurz. Nach anfänglichem Zögern, währenddem sich die Fratres unschlüssige Blicke zuwarfen, überwanden sie ihre Furcht, rissen die Tür auf und strebten mit wehendem Habit der
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