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Die Bräute des Satans

Die Bräute des Satans

Titel: Die Bräute des Satans
Autoren: Uwe Klausner
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war eine Arbeit, die Alanus keineswegs schätzte, noch weniger als seine Gefährten, mit denen er die Schulbank drückte. Die waren im Umgang mit Schaber und Bimsstein wenigstens geschickter als er, wenngleich nicht annähernd so intelligent. Und genau das war das eigentliche Problem. Alanus war der Lieblingsschüler von Bruder Cyprianus, und das bekam er bei jeder Gelegenheit von seinen Mitschülern zu spüren.
    Genau wie in diesem Moment.
    »Na, Bohnenstange – schon fertig?« Billung von Steinsfurt, bullig, dreist und dumm wie Bohnenstroh, der nichts Besseres im Sinn hatte als ihn zu schikanieren, hielt die passende Gelegenheit für gekommen. Und mit ihm seine Paladine, auf die er bedingungslos zählen konnte.
    Wie gesagt, eigentlich alles so wie immer.
    Mit dem Unterschied, dass er die Klinge eines Dolches an der Kehle spürte.
    »Irre ich mich, oder hatte ich dich was gefragt, Pfeffersack?«, zischte die Stimme hinter ihm, in die sich das verächtliche Schnauben der beiden anderen Novizen mischte. Für sie, allesamt von Adel, war der Kaufmannsspross Freiwild, auch und vor allem, weil sie ihm nicht das Wasser reichen konnten.
    Zumindest nicht, was ihre Geistesgaben betraf.
    »Schon möglich«, antwortete Alanus und verstärkte seinen Griff um den Bimsstein, mit dem er den Pergamentbogen hatte glätten wollen.
    »An deiner Stelle würde ich das bleiben lassen!«, meldete sich Gozbert von Pfullingen zu Wort, der mit Abstand Niederträchtigste der drei. Ein Wort von Billung, und der Auftrag wurde erledigt. »Sonst wirst du den morgigen Tag nicht erleben.«
    »Deinen Ehrentag«, vollendete Diepold von Germersheim, dem die Rolle des Hofnarren zugedacht war. »Oder willst du etwa, dass dir vor deiner Profess etwas zustößt?«
    Nein, das wollte Alanus nicht. Für sein Ziel, Mitglied des Konvents zu werden, hatte er ein Jahr Schinderei auf sich genommen, Grammatik, Rhetorik und Dialektik für das Trivium und anschließend Arithmetik, Geometrie, Musik und Astronomie für das Quadrivium gepaukt. Einmal Mönch, hatte er vor, sich später ganz der Jurisprudenz zu widmen, vielleicht sogar einmal Gelehrter zu werden. Und all das sollte er wegen drei Raufbolden, die ihre Aufnahme in die Klosterschule einzig und allein den Handsalben ihrer Altvordern zu verdanken hatten, aufs Spiel setzen?
    Nein, und abermals nein.
    »Was wollt ihr von mir?« Die Klinge höchstens einen Zoll von seiner Kehle entfernt, lockerte Alanus seinen Griff und schubste den Bimsstein weg.
    Gozberts Antwort ließ nicht lange auf sich warten. »Eine kleine Gefälligkeit, nicht mehr«, warf der willfährige Diener seines Herrn und Meisters Billung ein.
    »Und die wäre?«
    »Um den guten Bruder Cyprianus ein wenig in Wallung zu bringen«, raunte ihm dieser mit wohlkalkulierter Lässigkeit ins Ohr, »wirst du während der heutigen Lateinstunde zu unser aller Nutz und Frommen die falschen Antworten geben. Das muss dir unser Wohlwollen doch wert sein, oder?«
    Alanus schluckte. Darauf wollten die drei Unruhestifter also hinaus – ihn der Lächerlichkeit preisgeben.
    »Und dann?«
    »Was soll das heißen – ›und dann‹?«, fuhr ihn Billung an, ließ das Messer unter seinem Wams verschwinden und baute sich auf der Rückseite seines Stehpults auf. »Dann werden wir uns beraten, ob deine Vorstellung zu unser aller Zufriedenheit ausgefallen ist.« Der knapp zwanzigjährige Schläger, der einem Raubritter alle Ehre gemacht hätte, verschränkte die Arme und sah Alanus hohnlächelnd ins Gesicht. »Und wenn nicht – dann gnade dir Gott.«

Kapitel
     
    [Kapitelsaal, 9:35 h]
     
     
    Worin Bruder Gervasius für erhebliche Unruhe sorgt, welche durch einen besorgniserregenden Vorfall weiter angeheizt wird.
     
    Der Nebel war einfach überall , und als Bruder Hilpert einen Blick in den Kreuzgarten warf, konnte er den Westflügel der Klausur kaum erkennen. Keine Spur mehr von Kletterrosen, Lavendel oder Buchsbaumkegeln, die ihren betörenden Duft verströmten. Oder von den Buchfinken, die im Geäst des Holunderstrauches nisteten. Bruder Hilpert seufzte, und die klamme Luft ließ ihn frösteln. Über allem, selbst dem Efeu, der sich zwischen die mit Heiligenlegenden geschmückten Fenster zwängte, lag eine Vorahnung des Winters, und er hatte Mühe, sich der tristen Stimmung zu erwehren. Zu alldem kamen noch die Renovierungsarbeiten an den Fenstern, was dazu führte, dass der gesamte Ostflügel mit Gerüsten verkleidet war. Mit klösterlicher Stille hatte all das hier
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