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Die Boten des Todes

Die Boten des Todes

Titel: Die Boten des Todes
Autoren: Hans Gruhl
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brannte
in der kühlen Luft. Er spürte, wie erschöpft er war, als hätte er einen langen
Marsch hinter sich.
    Er atmete ein paarmal tief. Ich brauche
dringend einen Schluck, dachte er und tastete sich zur Theke. Oben, am Ende des
Regals, stand eine Lampe: eine leere Whiskyflasche mit rotem Schirm. Sie gab
nicht viel Licht. Licht war gefährlich. Andererseits — wem sollte auffallen,
daß er hierhergegangen war, um etwas zu trinken? Er würde noch ganz andere
Dinge erklären müssen.
    Das Licht flammte auf. Der rote Schein
flimmerte auf den Flaschen. Stasi nahm eine Kognakflasche und ein großes Glas.
Er goß es voll, trank es zur Hälfte aus. Er stützte sich auf den Bartisch, und
sein Gesicht war hart. Einfache Sache: Sie hatte baden wollen, war hinuntergegangen
zum See. Sie war nicht wiedergekommen. Er würde hinuntergehen und sie suchen.
Und dann Polizeihauptmann Stalacarro anrufen. Später würde man sie finden,
ertrunken, ohne Anhaltspunkt für Gewaltanwendung. Und das am Hochzeitstag. Der
Trick mit der Badewanne war gut. Ganz ausgezeichnet.
    Stasi trank sein Glas aus. »Sehr zum
Wohl!« sagte eine Stimme hinter ihm.
    Dieses verdammte Gefühl: Jetzt ist
etwas schiefgegangen — aber was? Stasi drehte sich langsam um. Stalacarro stand
in der Tür. Neben ihm Hadik. Er hatte die rechte Hand unter das Revers
geschoben, und Stasi wußte, wozu.
    Stalacarro sah ihm ins Gesicht. Seine
Augen waren ernst, ohne Haß oder Triumph. »Es stehen noch ein paar Leute ums
Haus herum«, sagte er. »Sie machen keine Dummheiten, nein?«
    »Nein«, sagte Stasi.
    »Das ist gut. Kommen Sie hinter der
Theke vor zur Mitte.«
    Später bereute Stalacarro diesen
Fehler. Stasi lächelte. Er ging langsam zur Mitte, zwischen die Bartheke und
die Fenster.
    Hadik schaltete die Deckenbeleuchtung
ein. Er blieb neben der Tür stehen. Der Hauptmann zog einen Stuhl heran und
setzte sich. Seine Stimme war ruhig, fast müde. »Ja — wo fangen wir an? Die
Geschichte ist ein bißchen lang. Aber gut.«
    »Freut mich, daß Sie sie gut finden,
Hauptmann.«
    »Am besten so: Es waren einmal zwei
alte Leute. Hatten schwer gearbeitet ihr Leben lang. Wollten sich zur Ruhe
setzen. Lebensabend und so. Der Mann meinte es ehrlich. Er wollte wirklich
nicht mehr arbeiten. Nur die Frau — die konnte es nicht lassen. Sie fing wieder
an. In der Hochzeitsnacht. So, wie Sie heute.« La Verne hörte zu. Er tat nichts
und sagte nichts. Der Hauptmann streckte sich im Sessel. »Die Polizei im Tessin
tut nicht viel. Autounfälle, entlaufene Hunde und so weiter. Sie schnuppert den
Blumenduft und hört auf das Summen der Bienen. Der Vorteil ist zunächst nicht
zu erkennen. Aber er ist da.«
    »Man hat Zeit nachzudenken«, sagte
Stasi.
    »Man hat Zeit nachzudenken. Ich habe
nachgedacht. Wenn man sich festgefahren hat, muß man andersherum denken.«
    »Darf ich rauchen?« fragte Stasi.
    Stalacarro nickte. »Sie dürfen sogar in
die Taschen greifen. Ich weiß, daß Sie nichts zum Schießen darin haben.«
    »Im Bademantel nie«, erwiderte La
Verne. Er entzündete eine Zigarette und überlegte dabei, daß es möglicherweise
die letzte sein könnte, die er jemals rauchte.
    »Außerdem«, fuhr Stalacarro fort, »war
es dringend nötig, nachzudenken. Eine Reihe von unaufgeklärten Morden. Nicht
die beste Reklame für die Kantonspolizei. Es war alles dermaßen grotesk und
unglaublich, daß es auch eine groteske Lösung haben mußte. Ein großer
Unbekannter ist immer eine miserable Lösung. Es mußte eine andere geben.«
    Stasi blickte mit höflicher
Aufmerksamkeit durch den Rauch.
    »Vor fünf Wochen die Hochzeitsnacht«,
sagte Stalacarro. »Man mußte sich nur vorstellen, daß Noringens tatsächlich
allein im Hause gewesen sind. Das Wahrscheinlichste. Dann kann nur einer von
ihnen den Zauber inszeniert haben. Und dann weisen die Umstände eher auf Frau
Ada hin. Denn Noringen hatte ihr Bad allein nicht betreten, bevor sie die
Räuberpuppe fand. Nur sie selbst konnte sie aufgehängt haben. Wenn man das
annahm, war der Verlauf völlig klar. Sie schlich sich in Noringens
Schlafzimmer, während er im Bad war und legte das Märchenbuch auf seinen
Nachttisch. Sie hatte ihren Plan vorher überlegt und sich die nötigen
Kleinigkeiten besorgt. Sie war entschlossen, ihn umzubringen. Sie brauchte den
Spuk, um die Drohungen eines Fremden glaubhaft zu machen. Aus dem gleichen
Grund begann sie sofort in der ersten Nacht... wer hätte glauben können, daß
eine Frau in der Hochzeitsnacht ihrem
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