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Die Boten des Todes

Die Boten des Todes

Titel: Die Boten des Todes
Autoren: Hans Gruhl
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Wasser plätschern.
Er ging in sein Zimmer, das er immer bewohnt hatte. In einer Minute war er
ausgezogen. Er streifte seine Badehose über, kroch in den Bademantel und
verließ den Raum. Er ging vorbei an Noringens Schlafzimmer bis zu dem, das Ada
bewohnt hatte. Auch Corry schlief noch in ihrem alten Zimmer, aber sie benutzte
das Bad, das zu Adas Schlafzimmer gehörte.
    Er schloß die Tür des Schlafzimmers von
innen ab. Eine Sekunde wartete er vor der Tür zum Bad. Das Plätschern klang
laut und fröhlich. Er klopfte. Corrys Stimme rief ihn. Als er eintrat, sah er
Corry in der Wanne. Sie saß bis zum Hals in einem glitzernden Berg von Schaum.
»Na endlich! Da bist du also!«
    »Da bin ich also«, sagte er. Anastasius
La Verne trat lächelnd an die Badewanne heran.
    »Komm rein!« sagte Corry, seit knapp
zehn Stunden seine Frau.
    »Erst die Temperatur prüfen.« Mit
beiden Händen faßte er durch den Schaum. Er sah Corrys Gesicht, und sie tat ihm
leid. Aber dann dachte er an den Pfeil in der Brust von Adrian van Noringen. An
ihren Pfeil. Er packte mit beiden Händen ihre Fußgelenke und riß sie nach oben.
    Corrys Kopf verschwand in dem duftenden
Schaum. Es dauerte eine Ewigkeit, bis sie sich nicht mehr bewegte.
    La Verne wartete minutenlang, dann zog
er ihren linken Arm aus dem Wasser und fühlte nach dem Puls. Es gab keinen
Zweifel: Sie war tot.
    Langsam beugte er sich zu der Kette am
Fußende und zog den Gummistopfen heraus. Das Wasser lief schlürfend ab. Mehr
und mehr gab es den toten Körper frei. Das hast du getan, dachte er. Und das
Schwerste stand noch bevor.
    Leise öffnete er die Tür des
Badezimmers. Kein Laut zu hören. Schnell ging er hinüber zu Corrys Zimmer. Ihre
Kleider lagen ordentlich über einem Stuhl. Sie war immer ordentlich gewesen — in
allem, was sie tat.
    Hastig begann er in ihrer Kommode zu
suchen. Er fand schnell, was er brauchte: einen einteiligen Badeanzug und eine
Badekappe. Er ging zurück, schloß alle Türen hinter sich. Einen Augenblick
wartete er vor der Wanne, und seine Zähne preßten sich aufeinander. Dann bückte
er sich. Mit einem Ruck hob er Corry heraus. Ein frischer Geruch von
Fichtennadeln stieg auf, als wäre sie gesund und lebte.
    Vorsichtig legte er sie auf den Boden.
Dann streifte er ihr den Badeanzug über. Peinlich achtete er darauf, die Haut
nicht zu verletzen. Jeder Kratzer konnte zum Verräter werden.
    Als er fertig war, drückte er ihr
nasses Haar aus. Er faltete es über dem Scheitel zusammen und zog die Badekappe
darüber. Es war noch feucht, aber niemand würde sich wundern, wenn sie aus dem
Lago Maggiore gezogen würde. Der Schweiß klebte ihm am Körper. Corry lag jetzt
so angezogen vor ihm, als hätte sie zum See hinuntergehen und baden wollen.
Viele Leute hier badeten in der Nacht.
    Er wandte sich wieder der Wanne zu und
spülte sie gründlich aus. Mit dem Tuch trocknete er die Gummimatte und die
Kacheln. Jetzt erst löschte er das Licht und öffnete vorsichtig das Fenster aus
geriffeltem Glas.
    Er wartete, bis sich seine Augen an die
Finsternis gewöhnt hatten. Dann zog er den Gürtel seines Mantels fest zu und
bückte sich. Die letzte Etappe begann. Behutsam hob er Corrys Körper hoch. Er
gab sich äußerste Mühe, nirgends anzustoßen, als er sie forttrug.
    Stufe um Stufe tastete er sich die
Treppe hinunter, ging vorsichtig durch das Rauchzimmer. Der unverwechselbare
Geruch von Birnenschnaps stand noch im Raum. Vorhin waren sie noch zusammen
hiergewesen, und sie hatte nicht gewußt, daß es das letzte Mal gewesen war.
    So viel hatte sie gewußt. Das nicht.
    Stasi trat ans Fenster hoch über der
Wasserfläche. Langsam ließ er Corry zu Boden und öffnete es weit. Das Wasser
gluckerte zärtlich an die Felsen unter ihm. Er hob die Leiche des Mädchens, das
er heute geheiratet hatte, wieder auf, schob sie über das Fensterbrett, mit den
Füßen voraus. Er sah Wolkenfetzen über dem Mond und wartete, bis ein dichterer
Schleier ihn verdunkelte. Dann stieß er den Körper hinaus. Das platschende
Geräusch war weniger laut, als er befürchtet hatte. Er beugte sich hinaus. Er
glaubte, einen Strudel und einen verschwommenen, fahlweißen Fleck wahrzunehmen.
Wenn sie nicht untergeht, dachte er, was dann? Sie muß untergehen. Sie war auch
in der Wanne unter Wasser geblieben. Sie mußte untergehen. Ein Ertrunkener
versank, und Tage konnten vergehen, bis er an die Oberfläche zurückkam. Er
hörte nur das Raunen des Wassers zwanzig Meter unter sich. Sein Gesicht
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