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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gesicht. Eine Dreckspur zog sich über die Stirn. Sand klebte am Kinn. Der Hals war gerötet, die Ärmel der Leinenjacke zerrissen.
    »Diese dreckigen miesen Banditen … Es ist unglaublich! Es ist nicht zu fassen! Das Ende ist das doch … Die Apokalypse. Wo sind wir denn? In Berlin oder in der Bronx? Es ist …«
    Er schüttelte den Kopf und sonderte zwischen den geschwollenen Lippen einen stöhnenden Protestlaut aus, und legte dann Rio feierlich die Hand auf die Schulter.
    »Und Sie. Sie kamen im letzten Moment. Der liebe Gott muß Sie geschickt haben. Endlich kann ich Ihnen danken. Übrigens, mein Name ist Hampel.«
    Rio nickte. Und da der Dicke auch jetzt auf einer Vorstellung bestand, sagte er zögernd: »Wohlmann.«
    »Herr Wohlmann? Nun kann ich dem Mann, der mir das Leben rettete, endlich ins Auge blicken. Meinen tiefempfundenen Dank, Herr Wohlmann … Wenn es Sie hier gerade nicht gegeben hätte … nicht auszudenken ist das … Überhaupt nicht auszudenken …«
    Rio wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    »Ist schon gut …«
    »Ist schon gut, sagen Sie. Nichts ist gut. Nichts … Überhaupt nichts. Sie haben es doch gerade selbst erlebt: dieser Staat, die Gesellschaft, die so etwas toleriert … Zum Untergang ist sie verurteilt. Kaum geht man aus dem Haus, wird man schon überfallen. Wo ist denn meine Lola …«
    »Drüben. Vor der Gartentür.«
    »Ich darf Sie doch bitten mitzukommen. Wir können doch ein solches Erlebnis nicht einfach so … hm … abklingen lassen. Ein Glas Wein vielleicht. Oder einen Whisky. Wir hätten das doch beide nun verdient. Finden Sie nicht?«
    Rio nickte. ›Beide verdient?‹ Ein Faß Whisky hatte er verdient. Ein ganzes Faß, und das allein für sich.
    Von Sekunde zu Sekunde erschien ihm die Situation absurder, verrückter – nein, gespenstischer.
    Hampel stieß die schmiedeeiserne Gartentür auf.
    »Bitte, kommen Sie doch, Herr … Herr …«
    »Wohlmann«, wiederholte Rio geduldig.
    »Wohlmann … Natürlich … Ich bitte um Verzeihung. Wissen Sie, ich bin einfach zu aufgeregt. Und das, das kann man ja doch verstehen, nicht wahr.«
    Hampels Wohnungseinrichtung war so, wie Rio es erwartet hatte, nur der Modigliani-Druck eines Frauenakts neben dem gemauerten Eckkamin überraschte ihn. Sonst: siebziger Jahre und blauer Plüsch. Ein Bücherregal, daneben die Hausbar, und in der Ecke Lolas Körbchen. Sie hatte sich bereits darin zusammengekringelt. Zwischen ihren Hängeohren sandte sie Rio einen langen, insistierenden, melancholischen Blick. Sie mochte alt, fett und blöd sein – aber sie war nett.
    Rio setzte sich. Wenn in seinem Leben jemals Sentimentalität fehl am Platze gewesen war, dann jetzt.
    Er lehnte sich in seinem blauen Sessel zurück und zündete eine Zigarette an.
    »Mit Eis – ohne?« fragte Hampel von der Hausbar her.
    »Ohne.«
    »Mach ich auch immer. Ist besser für den Magen. Ich hab' da 'nen schönen alten Scotch, wissen Sie, das Getränk für die besonderen Gelegenheiten. Na dann …«
    Er hatte zwei Gläser in den Händen und blinzelte bedeutungsvoll. Die Farbe der Augen war von fahlem Grau. Man sah, daß er kurzsichtig war. Der Blick wirkte seltsam hilflos und nackt. Rio fürchtete bereite, daß er jetzt rüberkäme, um mit ihm anzustoßen; aber er kippte den Whisky mit einem Schwung weg, gab Rio das andere Glas, setzte sich ihm gegenüber, kreuzte die dicken, fleischigen Finger über dem Bauch, zog die Schublade des Rauchtisches auf, entnahm ihr eine neue Brille und sah Rio nun direkt an.
    »Das waren Ossis«, verkündete er. »Das waren mit Sicherheit Ossis.«
    »Die vom Weg da unten?«
    »Ja, was denn sonst, Herr Wohlmann?«
    Rio zuckte mit den Schultern und trank einen langen Schluck. Der Whisky war tatsächlich Klasse. Und er half.
    »Ich weiß nicht, wie Sie politisch stehen, Herr Wohlmann, ich will Sie auch gar nicht fragen, geht mich ja nichts an, nicht wahr?« Hampel hielt sein Taschentuch in der Hand und tupfte die Stirn damit ab, betrachtete schaudernd das Ergebnis und schüttelte den Kopf. »Eigentlich müßte ich ja ins Bad … Ich sehe fürchterlich aus!«
    »Es geht«, sagte Rio.
    »Ja, Ossi-Banditen! – Wenn die Wiedervereinigung, über deren Sinn man wirklich geteilter Meinung sein kann, irgendeine katastrophale Auswirkung gehabt hat, dann in dieser Stadt … Drogentäter, Junkies, die für eine Spritze alles zu tun bereit sind – und als ob das nicht reichte, müssen auch noch die Ostzonenkriminellen dazukommen. Und die sind
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