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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Ballettinszenierungen besuchen! Wie denn?
    Aber es lief immer auf die gleiche Fragestellung hinaus: Was war mit der ›Pension Carola‹ los? Dort, hatte Ludwig gesagt, könne er sich absolut sicher fühlen. »Ist wie eine Art Freizone, Rio. Dort will keiner was von dir. Da mach dir mal keine Sorgen …«
    Er kramte nach seinen Zigaretten. Ein Feuerzeug klickte neben ihm auf. Er sah in ein abgemagertes Gesicht mit dunklen Augenringen. Trotz der Schwüle hatte der Junkie den Kragen seiner Windjacke hochgestellt, als friere er.
    »Danke …«
    »Gibst du mir auch eine …«
    Rio nahm sich zwei Zigaretten, steckte sie in die Brusttasche seines Hemdes und gab dem Mann die ganze Packung. Der sah ihn nur an, nickte und steckte die Zigaretten ein. »Aus dem Westen, was?«
    »Ja. Und jetzt, sei mir nicht böse – jetzt möchte ich allein sein.«
    Der Junkie nickte wieder. Nicht älter als fünfundzwanzig – und hat das Gesicht eines alten Mannes! Nur die Augen … Wie hatte Ludwig gesagt? »An den Augen siehst du noch, daß sie jung sind. Jung und verzweifelt. Und daß sie kämpfen wollen.«
    Rio steckte die Hand in die Hosentasche und zog das Wechselgeld heraus, das er auf den Zwanzigmarkschein an der Kebab-Bude herausbekommen hatte.
    »Hier.«
    Wieder das Nicken. Und wieder der Blick. »Danke – danke, Bruder …«
    Dann drehte er sich um und trottete davon. Rio sah ihm nach. Der Junge hatte die Schultern hochgezogen, turnte unsicher zwischen den Mauerresten und verschwand im Schatten. Bruder? – Ja. – O ja … Bruder im bösen Blut, Blutsbruder …
    Er ging weiter. Sein Blick fiel auf die Stadtkarte der S-Bahn-Station. ›Thiel-Allee‹, las er …
    Es dauerte keine zehn Minuten, dann war er dort. Und es war alles so, wie er es immer vor sich gesehen hatte: Der große nüchterne Zweckbau. Der schwarze Bundesadler auf goldeloxiertem Grund am Eingang. B UNDESGESUNDHEITSAMT – BGA …
    Und da waren sie, die, die es so furchtbar wichtig hatten, die in ihren schwarzen Dienstlimousinen vorfuhren und dann, die Krawatte trotz der Hitze eng um den Hals geknotet, ihren Aufgaben zustrebten. Da waren hinter den spiegelnden Scheiben die Gummibäume und die Köpfe der Sekretärinnen. Und dort saßen sie nun wohl, konferierten, machten sich wichtig, diktierten …
    Dort hinter diesen Scheiben hatten sie zugesehen, gelächelt, dementiert, abgewiegelt ohne Ende, ihren Freunden aus der Industrie recht gegeben … lange, über Jahre – so lange, bis es zu spät und nichts mehr zu retten war.
    Was half da eine Pistole? Was machte er sich um sein Matratzen-Versteck im ›Carola‹ Sorgen? Im Grunde war das, was er brauchte, eine Sprengladung. Ja, eine Bombe!
    Er stand und starrte. Sein Rücken, der Nacken, sein ganzer Körper verspannte sich. Die Hände zogen sich zusammen. Der alte, eisige Haß, er war zurückgekehrt.
    Und das war gut so …
    Es war kurz nach neun, als Rio in die Windscheidstraße einbog.
    Er blieb stehen.
    Aus der Dämmerung leuchtete die kleine, diskret verschlungene Neonschrift ›Carola‹. Hinter den Fenstern der Erdgeschoßräume brannte wie immer Licht. Im zweiten Stock, wo auch er sein Zimmer hatte, war nur ein einziges Fenster erhellt.
    Er ging noch einige Meter und verbarg sich hinter dem hohen, grauen Rechteck eines Telefonschaltkastens. Dort blieb er fünf, zehn Minuten … Nichts, keine Verdächtigen, die in irgendeinem geparkten Wagen Zigaretten rauchten. Niemand, der am Eingang herumlungerte. Ab und zu ein Wagen. Aber der glitt die Fahrbahn entlang und verschwand …
    Er überquerte die Straße. Das ›Carola‹, eine Art ›Freizone‹? Die Stasi hatte ihre ›konspirativen Wohnungen‹ und ›Objekte‹ gehabt, Berlin wimmelte zu allen Zeiten von Geheimdienstleuten, es gab Residenzen für Kontaktmänner, V-Leute, Ganoven, die aus dem Verkehr gezogen werden mußten, verdeckte Ermittler. Es gab alles – aber daß er sich ausgerechnet an einem solchen Ort sicher fühlen konnte, war schon ziemlich exotisch …
    Doch nun war es ohnehin zu spät.
    Sein Herz beruhigte sich. Die Hände in den Taschen, in sich eine tiefe Gleichgültigkeit, ging Rio auf die Haustür zu.
    Der Summer – die Tür öffnete sich.
    Er betrat die Eingangshalle und sah sich um. Keine Fußspitzen, die hinter den langen Fensterportieren hervorsahen. Und der Krauskopf saß wie immer hinter der Theke und las. Diesmal war es keine Zeitung, sondern ein Buch. Und auch der Fernsehapparat lief wie jeden Abend. Die Nachrichten. RTL.
    Rio nahm
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