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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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haben versucht, ihn niederzuhalten und gegen seinen Willen zu verbinden, aber seine Wunden fingen so heftig an zu bluten, als er sich wehrte, daß wir es nicht wagten. Wirst du kommen, mestra? «
    Kindra sah ihn fragend an. Sie hätte nicht gedacht, daß er an irgendeinem Mann seiner Bande solchen Anteil nähme. Brydar verteidigte sich: »Der Bursche steht in gar keiner Beziehung zu mir, er ist weder mein Pflegebruder noch mein Verwandter und nicht einmal ein Freund. Aber er hat an meiner Seite gekämpft, und er ist mutig. Er war es, der Narbengesicht im Einzelkampf tötete. Und an den dabei empfangenen Wunden stirbt er jetzt vielleicht.«
    »Warum kann er nur mit mir sprechen wollen?«
    »Er sagt, mestra , es sei eine Sache, die seine Schwester betrifft. Und er bittet dich im Namen Avarras, der Erbarmenden, daß du zu ihm kommst. Und er ist fast jung genug, dein Sohn zu sein.«
    »So«, sagte Kindra schließlich. Sie hatte ihren eigenen Sohn nicht mehr gesehen, seit er acht Tage alt gewesen war, und er würde, dachte sie, noch zu jung sein, ein Schwert zu tragen. »Ich kann keine Bitte abschlagen, die mir im Namen der Göttin gestellt wird.« Stirnrunzelnd erhob sie sich. Der junge Marco hat behauptet, er habe keine Schwester. Nein … er hatte gesagt, es gebe niemanden mehr, den er Schwester nennen könne. Das mochte ein Unterschied sein.
    Auf den Stufen hörte sie die Stimme von einem der Männer, der ausrief: »Junge, wir wollen dir doch nichts tun! Aber wenn wir diese Wunde nicht versorgen, kannst du sterben, hörst du?«
    »Geh weg von mir! Ich schwöre bei Zandrus Höllen und bei Narbengesichts da draußen verstreuten Gedärmen, ich steche dem ersten, der mich berührt, dies Messer in die Kehle!«
    Im Fackellicht drinnen sah Kindra Marco auf einem Strohballen halb sitzen, halb liegen. Er hielt einen Dolch in der Hand und wehrte seine Kameraden damit von sich ab. Aber er war todesblaß, und auf seiner Stirn stand eisiger Schweiß. Der Strohballen rötete sich langsam von einer Blutlache. Kindra wußte, daß der menschliche Körper ohne ernste Gefahr mehr Blut verlieren konnte, als die meisten Leute für möglich hielten. Doch für jeden gewöhnlichen Menschen sah es sehr beunruhigend aus.
    Marco erblickte Kindra und keuchte: » Mestra , ich bitte Euch … ich muß mit Euch allein reden …«
    »Das ist keine Art, mit einem Kameraden umzuspringen, Junge«, schalt einer der Söldner, der hinter ihm kniete. Kindra kniete sich neben den Strohballen. Die Wunde saß hoch oben am Bein nahe der Leiste. Die Lederhose hatte den Schlag etwas aufgefangen, sonst hätte den Jungen das gleiche Schicksal ereilt wie den Mann, den Annelys mit der Axt getroffen hatte.
    »Du kleiner Dummkopf«, sagte Kindra. »Ich kann nicht halb soviel für dich tun wie dein Freund hier.«
    Marcos Augen schlossen sich vor Schmerz oder Schwäche. Kindra dachte, er habe das Bewußtsein verloren, und winkte dem Mann hinter ihm. »Schnell jetzt, solange er bewußtlos ist …« Aber Marco zwang unter Qualen die Augen wieder auf.
    »Wollt auch Ihr mich betrügen?« Er hob den Dolch, aber so schwach, daß Kindra erschrak. Ganz bestimmt war hier keine Zeit zu verlieren. Das beste war, auf seine Launen einzugehen.
    »Geht«, sagte sie zu den anderen Männern. »Ich werde ein vernünftiges Wort mit ihm reden, und wenn er nicht hören will, nun, dann ist er alt genug, die Folgen seiner Torheit zu tragen.« Ihr Mund verzog sich, als die Männer gingen. »Ich hoffe, was du mir zu sagen hast, ist es wert, daß du dein Leben dafür riskierst, du Schwachkopf!«
    Aber ein schrecklicher Verdacht wuchs in ihr, als sie sich auf das blutige Stroh kniete. »Du Narr, weißt du, daß das wahrscheinlich deine Todeswunde ist? Ich verstehe nur wenig von der Heilkunst. Deine Kameraden hätten besser für dich sorgen können.«
    »Ganz bestimmt wird es mein Tod sein, wenn Ihr mir nicht helft«, flüsterte die heisere, schwache Stimme. »Keiner dieser Männer ist mir ein so guter Kamerad, daß ich ihm vertrauen könnte … Mestra , helft mir, ich bitte Euch im Namen der gnädigen Avarra – ich bin eine Frau.«
    Kindra holte scharf Atem. Der Verdacht war ihr bereits gekommen – und sie hatte richtig vermutet. »Und keiner von Brydars Männern weiß …«
    »Keiner. Ich habe ein halbes Jahr unter ihnen gelebt, und ich glaube nicht, daß einer von ihnen eine Ahnung hat – und Frauen fürchte ich noch mehr. Aber bei Euch hatte ich das Gefühl, ich könnte Euch vertrauen
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