Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne
Autoren: Marion Zimmer Bradley
Vom Netzwerk:
…«
    »Ich schwöre es«, fiel Kindra hastig ein. »Ich bin durch Eid verpflichtet, niemals einer Frau Hilfe zu verweigern, die mich im Namen der Göttin darum bittet. Aber laß mich dir jetzt helfen, mein armes Mädchen, und bete zu Avarra, daß du es nicht zu lange verzögert hast!«
    »Selbst wenn es so wäre …« hauchte das seltsame Mädchen, »möchte ich lieber als Frau sterben statt … entwürdigt und zur Schau gestellt zu werden. Mir ist soviel Entwürdigung widerfahren …«
    »Still! Still, Kind!« Aber das Mädchen fiel auf das Stroh zurück. Diesmal war sie wirklich ohnmächtig geworden. Kindra schnitt die Lederhose weg und sah sich den ernsthaften Schnitt an, der oben durch den Schenkel und in den Schamberg hineinführte. Die Wunde hatte stark geblutet, war nach Kindras Meinung jedoch nicht tödlich. Sie ergriff eins der sauberen Handtücher, die die Männer zurückgelassen hatten, und drückte es kräftig gegen die Wunde. Als die Blutung schwächer wurde, dachte sie stirnrunzelnd nach. Der Schnitt sollte genäht werden. Nur ungern tat sie es selbst. Sie hatte wenig Geschick in solchen Dingen, und sie war überzeugt, der Mann aus Brydars Gruppe konnte es sauberer tun und würde eine ruhigere Hand dabei haben. Sie wußte jedoch, genau das hatte die junge Frau gefürchtet, den Blicken der Männer ausgesetzt und von Männern behandelt zu werden. Kindra dachte: Wenn es erledigt werden kann, bevor sie das Bewußtsein wiedererlangt, braucht sie es nicht zu wissen … Aber sie hatte dem Mädchen ein Versprechen gegeben, und sie würde es halten. Als sie in den Flur hinaustrat, rührte das Mädchen sich nicht.
    Brydar kam halbwegs die Treppe hinauf. »Wie steht es?«
    »Schick mir die junge Annelys«, sagte Kindra. »Sag ihr, sie soll Leinengarn und eine Nadel mitbringen – und Verbandszeug und heißes Wasser und Seife.« Annelys besaß Mut und Kraft, und was mehr war, Kindra war überzeugt, daß sie ein Geheimnis zu bewahren wußte, wenn sie sie darum bat, und nicht darüber schwatzen würde.
    Brydar sagte mit so leiser Stimme, daß sie einen Meter von Kindras Ohr nicht mehr zu hören war: »Es ist eine Frau, nicht wahr?«
    »Hast du gelauscht?« fragte Kindra stirnrunzelnd.
    »Gelauscht, Teufel! Ich bin mit einem Gehirn geboren worden, und mir fielen ein paar andere kleine Dinge ein. Kannst du dir irgendeinen anderen Grund denken, warum ein Mitglied meiner Truppe es nicht zuläßt, daß wir ihm die Hosen ausziehen? Wer sie auch ist, sie hat Mumm genug für zwei!«
    Kindra schüttelte bestürzt den Kopf. Dann waren alle Leiden des Mädchens umsonst gewesen, der Skandal und die Entwürdigung standen ihr auf jeden Fall bevor. »Brydar, du hast mir versprochen, meine Mühe solle sich für mich lohnen. Stehst du in meiner Schuld oder nicht?«
    »Ich stehe in deiner Schuld«, antwortete Brydar.
    »Dann schwöre bei deinem Schwert, daß du über dies nie den Mund öffnen wirst, und ich bin bezahlt. Ist das ein Handel?«
    Brydar grinste. »Dafür will ich dich nicht um dein Geld bringen. Meinst du, ich möchte, daß es in den Bergen herumkommt, Brydar von Fen Hills könne die Männer nicht von den Ladys unterscheiden? Der junge Marco ist ein halbes Jahr lang mit meiner Truppe geritten und hat sich als Mann erwiesen. Wenn seine Pflegeschwester oder Verwandte oder Cousine oder was du willst ihn selbst pflegen möchte und ihn danach mit sich nach Hause nimmt, was soll einer meiner Männer daran merkwürdig finden? Verdammt will ich sein, wenn ich sie auf den Gedanken bringen möchte, ein Mädchen habe Narbengesicht direkt vor meiner Nase getötet!« Er legte die Hand auf das Heft seines Schwerts. »Zandru lähme diese Hand, wenn ich ein Wort darüber spreche. – Ich schicke dir Annelys«, versprach er und ging.
    Kindra kehrte zu dem Mädchen zurück. Sie war immer noch bewußtlos. Als Annelys kam, sagte Kindra kurz: »Halt die Lampe, ich will die Wunde nähen, bevor sie wieder zu sich kommt. Und paß auf, daß dir nicht übel wird und du nicht in Ohnmacht fällst, denn es muß schnell getan werden, damit wir sie beim Nähen nicht niederhalten müssen.«
    Annelys schluckte beim Anblick des Mädchens und der klaffenden Wunde, die wieder zu bluten begonnen hatte. »Eine Frau! Gesegnete Evanda! Kindra, ist sie eine von Eurer Schwesternschaft? Wußtet Ihr es?«
    »Nein – auf beide Fragen. Hier, leuchte mir …«
    »Nein«, sagte Annelys. »Ich habe das schon oft getan; ich habe eine sichere Hand dafür. Einmal, als
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher