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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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ich nicht viele andere Talente habe. Ich kann nicht besonders gut weben oder sticken, und meine Geschicklichkeit bei der Gartenarbeit ist nur im Sommer zu etwas nutze. Meine eigene Eidesmutter ist Hebamme; das ist unser am höchsten geachteter Beruf. Selbst Leute, die die Entsagenden verachten, geben zu, daß wir oft das Leben eines Kindes retten, wenn die Dorfhebamme versagt. Sie nun hätte mich ihren Beruf gelehrt, aber auch dafür habe ich kein Talent, und mir wird übel beim Anblick von Blut –« Sie blickte plötzlich hinab auf ihr langes Messer, erinnerte sich an ihre vielen Schlachten und lachte. Annelys lachte mit ihr, ein seltsamer Laut vor dem verängstigten Wimmern der anderen Frauen.
    » Ihr fürchtet Euch vor dem Anblick von Blut?«
    »Es kommt darauf an«, erklärte Kindra. »Ich kann kein Leiden sehen, wenn ich nichts dagegen tun kann, und wenn eine Geburt leicht vonstatten geht, schickt man selten nach der Hebamme. Wir werden nur zu verzweifelten Fällen gerufen. Ich möchte lieber gegen Männer oder wilde Tiere kämpfen als um das Leben einer hilflosen Frau oder das des Kindes …«
    »Ich glaube, so würde es mir auch gehen«, meinte Annelys, und Kindra dachte: Wenn ich jetzt nicht durch die Gesetze der Gilde gebunden wäre, könnte ich ihr erzählen, was wir sind. Und die hier würde ein Gewinn für die Schwesternschaft sein …
    Aber ihr Eid machte sie stumm. Sie seufzte und sah Annelys nur an.
    Schon dachte Kindra, die Vorsichtsmaßnahmen seien umsonst getroffen worden und Narbengesichts Männer würden überhaupt nicht mehr kommen, als eine der Frauen aufkreischte. Kindra sah die Quaste einer grobgestrickten Mütze hinter der Mauer hochkommen. Dann erschienen zwei Männer oben auf der Mauer, das Messer zwischen den Zähnen, um die Hände zum Hochklettern frei zu haben.
    »Hier also haben sie alles versteckt, Frauen, Pferde, alles …« brummte der eine. »Du gehst zu den Pferden, ich kümmere mich um … Was ist denn das?« brüllte er, als Kindra mit gezogenem Messer auf ihn zulief. Er war größer als sie, beim Kampf konnte sie sich nur verteidigen und sich Schritt für Schritt auf den Stall zurückziehen. Wo waren die Männer? Warum war es den Räubern gelungen, so weit zu kommen? Waren sie hier die letzte Verteidigung der Stadt? Aus dem Augenwinkel sah sie, daß der zweite Räuber hinter ihr das Schwert hob. Sie drehte sich und achtete darauf, daß sie stets beide sehen konnte.
    Dann hörte sie Annelys schreien, die Axt blitzte einmal auf, und der zweite Räuber fiel heulend um. Aus seinem Bein sprudelte Blut. Kindras Gegner zögerte bei dem Geräusch. Kindra hob ihr Messer und rannte es ihm durch die Schulter. Sein Messer, das ihm aus der schlaffen Hand fiel, fing sie auf. Er stürzte auf den Rücken, und sie sprang auf ihn.
    »Annelys!« rief sie. »Ihr Frauen! Bringt Riemen, Stricke, irgend etwas, womit wir ihn binden können – es könnten andere da sein …«
    Janella kam mit einer Wäscheleine und stand daneben, als Kindra den Mann fesselte. Dann trat die Wirtin zurück und betrachtete denn zweiten Räuber, der in einer Lache seines eigenen Blutes dalag. Sein Bein war am Knie abgetrennt. Er atmete noch, aber er war schon so weit hinüber, daß er nicht einmal mehr stöhnte, und während die Frauen standen und ihn ansahen, starb er. Janella starrte Annelys entsetzt an, als sei ihrer Tochter auf einmal ein zweiter Kopf gewachsen.
    »Du hast ihn getötet«, stöhnte sie. »Du hast ihm das Bein abgehackt!«
    »Wäre es dir lieber, wenn er mir meins abgehackt hätte, Mutter?« fragte Annelys und beugte sich zu dem anderen Räuber hinab. »Er hat nur einen Stich in die Schulter bekommen, er wird am Leben bleiben, damit er gehängt werden kann!«
    Schwer atmend richtete Kindra sich auf und zog die Wäscheleine noch einmal fest an. Sie blickte zu Annelys hin und sagte: »Du hast mir das Leben gerettet, kleine Schwester.«
    Das Mädchen lächelte aufgeregt zu ihr hoch. Ihr Haar hatte sich gelöst und fiel ihr in die Augen. Plötzlich schlang Annelys die Arme um Kindra, und die Frau drückte sie an sich, ohne auf das beunruhigte Gesicht der Mutter zu achten.
    »Eine von uns hätte es nicht besser machen können. Ich danke dir, Kleines!« Verdammt, das Mädchen hatte ihren Dank und ihr Lob verdient , und wenn Janella sie anstarrte, als sei Kindra eine böse Verführerin junger Mädchen, dann war Janella selbst daran schuld. Kindra ließ ihren Arm um Annelys’ Schulter liegen und sagte: »Hör
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